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Portugal hat den Konsum von Drogen komplett legalisiert.

Foto: ap/Armando Franca

Die zuletzt erlassenen Gesetze, die den Drogenhandel in Wien eindämmen sollten, zeigen nicht die gewünschte Wirkung. Das Drogengeschäft verschiebt sich bloß örtlich. Denn solange Zwischenhändler Profit machen können, wird immer ein Weg gefunden werden, das jeweilige Produkt zu verkaufen. Was wäre also zu tun, um Drogenhandel effektiv einzudämmen und damit auch alle einhergehenden Probleme bekämpfen zu können?

Ein Blick nach Portugal gibt wertvolle Hinweise. Portugal hat im Jahr 2001 den Konsum aller Drogen – auch Heroin und Kokain – entkriminalisiert. Folgende Auswirkungen der Liberalisierung konnten festgestellt werden: Im Durchschnitt ist der Drogenkonsum gesunken, besonders bei der "anfälligeren" Gruppe der 15- bis 24-Jährigen. Der sogenannte "problematische Drogenverbrauch", also der Konsum der potenziell gesundheitsgefährdendsten Drogensorten, ist gesunken. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der Drogen ausprobiert hat, diese dann auch weiterhin konsumiert, ist ebenfalls gesunken.

Positive Entwicklung nach Liberalisierung

Die Anzahl der HIV-Neuansteckungen unter Drogensüchtigen ist von 1.016 (2001) auf nur 56 Fälle (2012) zurückgegangen. Ähnliches gilt für Hepathitis-B- und -C-Neuansteckungen. In demselben Zeitraum ist die Anzahl der jährlichen Drogentoten von 80 auf 16 gesunken. Zum Vergleich: In Österreich gab es im Jahr 2013 138 Drogentote, wie aus dem "Bericht zur Drogensituation 2014" des Gesundheitsministeriums hervorgeht. Überdies hat sich die Zahl der Heroinabhängigen in Portugal von 100.000 auf 50.000 halbiert.

Die drogenbezogene Kriminalität (Personen zu Haftstrafen verurteilt – drogenbezogener Raub und Diebstahl inkludiert) sank von 14.000 auf weniger als 6.000 Inhaftierungen pro Jahr. In Österreich haben in etwa 90 Prozent der Drogensüchtigen Hafterfahrung, wobei gut 50 Prozent auf Raub-, Diebstahls- oder Einbruchsdelikte zurückzuführen sind.

In Portugal war im Jahr 2000 der Widerstand gegen die geplante Lockerung der Drogengesetze enorm. Im Jahr 2015 wollen laut Umfragen nur noch die wenigsten Portugiesen zu den alten Gesetzen zurückkehren.

Legalisierungen in den USA

Die kürzlich umgesetzten Marihuanalegalisierungen in Colorado, Washington und Uruguay zeigen bis jetzt keine nennenswerten negativen Auswirkungen. Es gibt also nicht das geringste Anzeichen dafür, dass Drogenliberalisierung zu einem drastischen Anstieg beim Konsum harter Drogen führen würde oder dass etwa das Sozial- beziehungsweise Rechtssystem darunter leiden würde.

Der Marihuanakonsum könnte sich bei einer etwaigen Drogenlegalisierung erhöhen, besagen Schätzungen. Zwei Ökonominnen haben versucht, anhand einer repräsentativen Umfrage für Australien eine Zahl hierfür zu errechnen. Sie postulieren, dass der Cannabiskonsum bei unter 30-Jährigen um zirka 30 Prozent steigen könnte, finden aber auch, dass sich diese Effekte durch entsprechende Besteuerung lenken ließen (Jacobi, Sovinsky; Marijuana on Main Street?).

Einnahmen für den Staat

Harvard-Ökonom Jeffrey Miron errechnet, dass die USA bei völliger Freigabe von Drogen rund 41 Milliarden US-Dollar an Regierungsausgaben einsparen könnten und zusätzlich Steuereinnahmen von fast 47 Milliarden US-Dollar lukrieren könnten. Erfolgte die Legalisierung nur für Marihuana, so schätzt er die Ausgabenreduktion auf knapp neun Milliarden US-Dollar und Steuereinnahmen auf 8,7 Milliarden US-Dollar. Würde man diese Schätzungen aus Harvard grob auf das österreichische Wirtschaftsvolumen extrapolieren wollen, so käme man auf Steuereinnahmen von etwa einer Milliarde Euro beziehungsweise 200 Millionen Euro.

Mittlerweile gibt es über die Schätzungen hinausgehende Zahlen. Der Bundesstaat Colorado etwa (Marihuanalegalisierung im Jahr 2014) erwartet nach kleinen Anlaufschwierigkeiten für das Steuerjahr 2016 Einnahmen von knapp 100 Millionen US-Dollar. Setzt man diese Einnahmen in Relation zu dem regionalen Wirtschaftsvolumen von Colorado, erkennt man, dass Mirons Schätzungen aus dem Jahr 2010 relativ präzis zu sein scheinen. In diesem Jahr beträgt das Volumen des gesamten Marihuanageschäfts in Colorado etwa 700 Millionen US-Dollar.

Drogenverbote – ein sicheres Geschäftsfeld für Kriminelle

Derzeit schaffen Staaten durch Drogenprohibition ein gesichertes Geschäftsfeld für kriminelle Organisationen. Diese können ihre Preise de facto wie Monopolisten festsetzen und mögliche kleinere Konkurrenten mit schierer Gewalt verdrängen. Durch eine Legalisierung würden die Preise wegen der größeren Zahl an Anbietern sinken. Durch geschickte Besteuerung und Beratung könnte man Konsumenten von gefährlichen Drogen zu harmloseren lenken. Der Preisverfall hätte für Drogenkonsumenten den zusätzlichen Vorteil, dass sie die Differenz von Marktpreis zu Prohibitionspreis, die ansonsten in die Tasche von Kriminellen wandert, nun für andere Konsumgüter ausgeben können.

Weiters würde sich das Gesundheitsrisiko für Drogenkonsumenten mutmaßlich verringern. Laut dem aktuellen Drogenbericht für Österreich wurden zum Beispiel in 20 Prozent der "Partyszenedrogen" gesundheitlich besonders bedenkliche Beimengungen festgestellt. In Apotheken beziehungsweise offiziellen Verkaufsstellen könnten solche Verunreinigungen vermieden werden. Nicht zu vergessen ist der positive wirtschaftliche Impuls, unter anderem weil zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen würden und neue Geschäfte Mieten zu zahlen hätten. Dazu käme eine Entlastung der Exekutive.

Drogenkartelle verhindern Entwicklung

Unzählige Menschen leiden rund um den Globus unter den direkten und indirekten negativen Effekten, die von Drogenkartellen ausgehen. So wurde zum Beispiel im Jahr 2005 die Wiederwahl von Präsident João Bernardo Vieira in Guinea-Bissau von Drogenkartellen finanziert, ghanaische Parlamentarier wegen Drogenhandels in den USA verurteilt, der Sohn des Präsidenten von Guinea(-Conakry) auf die "US Drug Kingpin List" gesetzt.

Korruption und Gewalt stehen ebenso in Lateinamerika an der Tagesordnung. Viele der mehr als ein Millionen Morde, die im vergangenen Jahrzehnt dort passierten (nur Morde, keine anderweitigen Todesfälle), kann man zumindest implizit der Kategorie "Drogen" zuschreiben.

Kolumbiens Kampf erfolglos

In den vergangenen Jahrzehnten hat vor allem Kolumbien massiv gegen Kartelle angekämpft, was diese aber nicht schwächte, sondern sogar stärkte. Wenn eines zerschlagen wurde, entstand aufgrund der immens hohen Gewinne, die international zu erzielen sind, bald das nächste. Ein Kampf gegen Windmühlen, den die ohnehin nicht allzu stabilen lateinamerikanischen Regierungen offensichtlich nicht gewinnen können. Viel schlimmer verhält es sich diesbezüglich in den noch instabileren westafrikanischen Ländern.

Legalisierung könnte Armut reduzieren

Anstatt zuzusehen, wie kriminelle Organisationen rund um den Globus ein Vermögen verdienen – allein in den USA beträgt das Volumen des Drogenmarktes laut konservativen Schätzungen 400 bis 500 Milliarden US-Dollar; das wären fast drei Hundertstel des Bruttoinlandsprodukts – und Angst und Schrecken zu verbreiten, ist es an der Zeit, den Spieß umzudrehen und die gesamte Bevölkerung in Form von Steuereinnahmen daraus profitieren zu lassen.

Um das volle Potenzial einer solchen Maßnahme ausschöpfen zu können, müsste dies weltweit passieren. Des Weiteren müsste man alle Arten von Drogen legalisieren, um kriminellen Vereinigungen, die nationale Institutionen in Entwicklungsländern destabilisieren, nachhaltig das Wasser abzugraben. Nur so hätten wir die Chance, positive Impulse in der Entwicklungsökonomie zu setzen und die weltweite Armut zu reduzieren.

Die positiven Beispiele aus Portugal und anderen "Early-Adoptern" sollten Anlass genug sein, um Veränderung herbeizuführen und der international organisierten Kriminalität ihr Hauptgeschäftsfeld wegzunehmen.

Und in Österreich?

In Österreichs Städten würden Dealer nach und nach von den Straßen verschwinden, und der Fiskus würde zusätzlich Geld einnehmen. Könnten wir hierzulande ein positives und offenes Klima rund um diese Thematik schaffen, würden wir es der Politik einfacher machen. Denn derzeit würde die Partei, die sich dieses Problems in offener Art und Weise annehmen würde, die nächsten Wahlen bestimmt verlieren. (Alexander Lehner, 16.8.2016)