Die Luftaufnahme aus dem Jahr 1962 zeigt Radarstationen des Ballistic Missile Early Warning System der USA in Anderson, Alaska. Ein geomagnetischer Sturm führte 1967 zum Ausfall der Anlage.

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H-alpha-Aufnahme der Sonne vom 23. Mai 1967. Die hellen Flecken zeigen Eruptionen.

Foto: National Solar Observatory

Washington/Wien – Es war keine Übung, als die United States Air Force am 23. Mai 1967 mit Atombomben bestückte Flugzeuge für den Abflug vorbereitete. Trotz der vorsichtigen Entspannungspolitik sah es fünf Jahre nach der Kubakrise mit einem Mal wieder so aus, als würde der Kalte Krieg ein heißer werden: Die Radarstationen des Raketenfrühwarnsystems der USA waren plötzlich ausgefallen – als Ursache wurde ein Angriff der Sowjetunion befürchtet.

Gerade noch rechtzeitig konnten Wissenschafter des damals jungen Forschungsnetzwerks zur Beobachtung des Weltraumwetters eine andere Erklärung liefern: Keine militärischen Manipulationen, sondern ein massiver Sonnensturm steckte hinter den beispiellosen Störungen der Radartechnologie. Die Flugzeuge blieben auf dem Boden, die Öffentlichkeit wurde nicht über die brenzlige Situation informiert.

Nun hat die Astrophysikerin Delores Knipp von der University of Colorado in Boulder diese Episode gemeinsam mit damals beteiligten Wissenschaftern und Militärangehörigen rekonstruiert. Das Ergebnis wurde im Fachblatt "Space Weather" veröffentlicht und wird dieser Tage am National Center for Atmospheric Research in Boulder präsentiert.

Gestörtes Magnetfeld

Die Auswirkungen von Sonneneruptionen treffen die Erde gar nicht so selten, meist aber ohne drastische Konsequenzen. Dabei werden hochenergetische Teilchen vom irdischen Magnetfeld abgelenkt und regen Stickstoff- und Sauerstoffatome der oberen Atmosphäre an – so entstehen Polarlichter.

Starke Sonneneruptionen können aber deutlich folgenreicher sein: Diese koronalen Massenauswürfe können Schäden an Satelliten verursachen und geomagnetische Stürme auslösen. Durch Störungen im Erdmagnetfeld werden technische Systeme bis hin zum Totalausfall beeinträchtigt – der größte wissenschaftlich gesicherte derartige Ausbruch ging als Carrington-Ereignis von 1859 in die Geschichte ein. Damals konnten sogar in Rom Polarlichter beobachtet werden, das Telegrafennetz brach zusammen. So heftig war der magnetische Sturm vom 23. Mai 1967 freilich nicht, die Studienautoren identifizieren ihn aber immerhin als einen der stärksten des 20. Jahrhunderts.

Entwicklungsschub

Hätte das US-Militär nicht schon Ende der 1950er-Jahre erste Monitoringprogramme gestartet, wären die Auswirkungen dieses Ereignisses womöglich desaströs gewesen, ist Knipp überzeugt: "Stand Krieg unmittelbar bevor? Wir wissen, dass Entscheidungen darüber nahezu stündlich getroffen wurden – die Informationen kamen also gerade rechtzeitig, um eine Katastrophe zu verhindern."

Wie sie und ihre Kollegen zeigen, wirkte der Zwischenfall von 1967 wie ein Katalysator auf die weitere Entwicklung des Forschungsfeldes. Heute wird das Weltraumwetter durch ein dichtes Netz an Raumsonden, Satelliten und Messstationen weltweit genau beobachtet, die meisten Daten sind öffentlich zugänglich. (David Rennert, 10. 8. 2016)