Damaskus – In einem verzweifelten Appell an US-Präsident Barack Obama haben Ärzte in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo ein sofortiges Eingreifen der USA gefordert. "Uns helfen nun keine Tränen mehr, kein Mitleid und nicht einmal Gebete, wir benötigen Ihr Handeln", heißt es in dem Brief, der von 15 der 35 noch praktizierenden Ärzte in dem von Rebellen kontrollierten Osten Aleppos unterzeichnet wurde.

Ohne einen ständigen Versorgungskorridor werde sich der Hunger weiter ausbreiten, und die Vorräte der Krankenhäuser gingen vollends zu Ende, warnten die Ärzte. Sie schilderten dramatische Zustände in den Krankenhäusern der Stadt. "Was uns als Ärzte am meisten schmerzt, ist, dass wir Entscheidungen darüber treffen müssen, wer weiterleben soll und wer stirbt", heißt es in dem Brief. "Manchmal werden kleine Kinder bei uns eingeliefert, die so schwere Verletzungen haben, dass wir jene vorziehen müssen, die bessere Überlebenschancen haben."

Dramatische Zustände

Als Ärzte hätten sie miterleben müssen, "wie zahllose Patienten, Freunde und Kollegen gewaltsame und qualvolle Tode starben", heißt es in dem Brief. Die Detonationswellen einer Explosion hätten vor zwei Wochen die Sauerstoffzufuhr zu einem Brutkasten gekappt, vier Neugeborene seien gestorben, "bevor ihr Leben richtig begonnen hatte".

In ihrem Brief an Obama beklagten die Ärzte, sie hätten "keine Bemühungen seitens der USA gesehen, die Belagerung aufzuheben oder ihren Einfluss zu nutzen, die Kampfparteien zum Schutz von Zivilisten zu bewegen". Sie appellierten an den Präsidenten: "Zeigen Sie, dass Sie ein Freund des syrischen Volkes sind!"

Indes wurde bekannt, dass bei einem Gasangriff in Aleppo mindestens vier Menschen getötet worden. Weitere 55 hätten Verletzungen der Atemwege erlitten, sagte der Chef des Al-Kuds-Hospitals, Hamsa Chatib, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Behälter mit dem Gas, bei dem es sich vermutlich um Chlor handle, seien am Mittwoch zusammen mit Fassbomben über einem Viertel der Stadt abgeworfen worden. Chatib sagte, er habe Kleidungsstücke und Bombenteile als Beweismittel aufgehoben.

Täglich drei Stunden Feuerpause

Das russische Militär hatte zuvor eine tägliche dreistündige Feuerpause rund um Aleppo angekündigt. Um den Zugang von humanitärer Hilfe in die Stadt zu ermöglichen, würden die russischen Streitkräfte ab Donnerstag täglich von 10 Uhr bis 13 Uhr Ortszeit (9 Uhr bis 12 Uhr MESZ) jeglichen Beschuss unterbrechen.

Aufständischen zufolge kam es am Donnerstag aber weiter zu Kämpfen. Die Regierungstruppen versuchten, im Viertel Ramussah voranzukommen, sagte ein Sprecher der Rebellengruppe Jaish al-Nasr. Demnach greifen russische Kampfflugzeuge sogar verstärkt an. Auch ein Zeuge nahe des Frontverlaufes berichtete, nach Beginn der Feuerpause sei es am Vormittag zu Gefechten gekommen.

Nach Einschätzung von Uno-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien würden drei Stunden ohnehin nicht ausreichen, um der Bevölkerung zu helfen. "Was könnte in drei Stunden erreicht werden?", sagte O'Brien am Mittwoch bei den Vereinten Nationen in New York. Nur ein kleiner Teil der Hilfe könnte die Betroffenen in dieser Zeit erreichen. Feuerpausen von mindestens 48 Stunden seien nötig, um Hilfsgüter auf Lastwagen zu laden, diese nach Aleppo zu transportieren und Menschen in Sicherheit zu bringen.

Die Rebellen kontrollieren in Aleppo seit dem Sommer 2012 mehrere Viertel im Osten, in denen nach verschiedenen Schätzungen noch 250.000 bis 275.000 Menschen leben. Die Regierungstruppen hatten Mitte Juli den Belagerungsring um die Viertel der Rebellen geschlossen, doch gelang es diesen kürzlich, das Viertel Ramussa zurückzuerobern und damit die Belagerung zu durchbrechen. (APA, 11.8.2016)