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Kohei Uchimura hielt die Konkurrenz gerade noch in Schach.

Foto: REUTERS/Damir Sagolj

Rio de Janeiro – Der König der Kunstturner war fix und fertig. Erschöpft vom harten Ringen um seinen Thron schlurfte Kohei Uchimura durch die Katakomben der Rio Olympic Arena, das blasse Gesicht voller Schweißperlen, die Hand auf dem beanspruchten Rücken. "Es war ein grandioser Sieg, aber nun bin ich total ausgelaugt", sagte der Superstar aus Japan: "Ich habe zwischenzeitlich gedacht, dass ich verliere."

Viel fehlte in der Tat nicht zum Ende seiner siebenjährigen Regentschaft. Seit 2009 hat der Mann von der Insel Kyushu keinen Mehrkampf mehr verloren, mit nur 0,097 Punkten Vorsprung setzte sich Uchimura in Rio vor dem Ukrainer Oleg Wernjajew durch. "Er hat Unglaubliches geleistet", sagte der Sieger anerkennend. Mit nun sechs WM-Titeln und zwei Olympiasiegen allein im Einzel-Mehrkampf – insgesamt hat Uchimura schon 13 Goldmedaillen gewonnen – hat der 1,63 Meter hohe Turner "die Latte schon ziemlich hoch" gelegt, wie er feststellte.

Die Wachablöse lag schon am Mittwoch in der Luft, Wernjajew lieferte dem besten Sechskämpfer des vergangenen Jahrzehnts ein hartes Duell. Letztlich behielt Uchimura die Nerven und setzte sich mit 92,365 Punkten durch. Für Wernjajew war Silber zumindest im Mehrkampf der größte Erfolg seiner Karriere. 2014 war er schon Weltmeister am Barren.

"Nächstes Mal werden wir sehen, wer der Bessere ist", sagte Wernjajew, der nach dem Wettkampf zunächst getröstet werden musste. Die Zukunft wird dem 22-Jährigen aus Donezk gehören, der dem naheliegenden Wechsel nach Russland widerstand und verheerenden Trainingsbedingungen trotzte. Ebenso gehört die Zukunft dem nur ein Jahr älteren Bronzemedaillengewinner Max Whitlock aus Großbritannien. Der Vorsprung von "King Kohei" wird immer geringer, sein Thron wackelt bedenklich – vielleicht wird er schon bei der WM 2017 in Montreal gestürzt.

Am Superstar hatte es schon im Vorfeld der Bewerbe in Rio leise Zweifel gegeben. Noch vor der ersten Übung sorgte er für Schlagzeilen, weil er für seine letztlich erfolglose Pokémon-Jagd Roaminggebühren in Höhe von umgerechnet 4400 Euro bezahlen musste. Als er kurz darauf noch als amtierender Reck-Weltmeister das olympische Finale an seinem Paradegerät verpasste, deutete vieles auf das Ende einer Ära hin.

Es entbehrte dann auch nicht einer gewissen Ironie, dass Uchimura ausgerechnet am Reck seinen Rivalen Wernjajew überflügelte. Seine glanzvolle Übung war Schwerstarbeit – in den Katakomben sah man es ihm an. (sid, red, 11.8.2016)