Der Schirm: In Japan gilt er als Statussymbol. Anderswo landet er nach einem Tag im Müll.

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Wien – Je regnerischer, desto besser. Für Familie Würflingsdobler geht nichts über nasse Witterung. Um weit mehr als 20 Prozent hat diese ihr Geschäft mit Regenschirmen heuer im Jahresvergleich bereits wachsen lassen. Schüttet es auch noch im Herbst wie aus Kübeln, steht der ansehnlichen Jahresbilanz nichts im Wege. Einziger Wermutstropfen: Neben Regenschutz fertigen die Würflingsdoblers auch Sonnenschirme. So ganz durchwachsen sollte daher der Sommer dann doch nicht sein.

Schirme sind Gebrauchsgegenstände. Ihr Absatz ist konjunkturunabhängig, nur wenige stechen aus der Masse hervor, nahezu alle entspringen billigen Werkbänken Asiens. Und Anbieter gibt es wie Sand am Meer. Auch der Schirmfabrikant Doppler, der vor elf Jahren die Marke Knirps unter sein Dach holte, folgte dem Zug seiner Zeit nach China. Parallel zu den dortigen Lieferanten behielt er es sich aber vor, als einer der Letzten der Zunft in solider Größe auch in Österreich zu produzieren.

Spezialanfertigungen für das Ausland

Gut eine Stunde währt die Endfertigung pro Schirm in Braunau. Stöcke aus Eschenholz, Kastanie oder Ahorn werden in Handarbeit mit italienischen Stoffen kombiniert. Viele sind Spezialanfertigungen für Kunden wie Rolls-Royce und Louis Vuitton. Schirme von Ersteren gibt es nur in Kombination mit der Karosse, was die Preise für sie auf Marktplätzen im Internet in dreistellige Eurobereiche treibt.

Martin Würflingsdobler ist 31, er studierte Produktion und Logistik und wird das Schirmgeschäft einmal übernehmen. Der Urenkel des Firmengründers von Doppler arbeitete für die Autoindustrie, im Vorjahr kehrte er nach Braunau in den Betrieb seiner Familie zurück. Externe Investoren zeigten immer wieder Interesse an der Fabrik – immer wieder entschieden sich die Eltern dagegen, erzählt er. Auch ihn reize es, abseits großer Konzerne unternehmerisch gestalten zu können. "Wir wollen Doppler eigenständig weiterführen."

Windkanäle für Regenschirme

55 Millionen Euro setzt seine Familie um, doppelt so viel wie vor zwölf Jahren. 160 der 240 Beschäftigten arbeiten in Oberösterreich. Der Betrieb ist profitabel – vier Millionen Regenschirme und eine Million Sonnenschirme tragen jährlich seine Handschrift, darunter jene von S.Oliver und Bugatti. Sie werden allesamt hierzulande entwickelt, teils in Windkanälen von BMW Sturmböen von bis zu 100 km/h ausgesetzt und in China mit eigenem Werkzeug gefertigt.

Taschenschirme wie der Knirps bergen 300 Einzelteile in sich, sagt Michael Lackner, Leiter der Vertriebslinie: Der manuelle Anteil sei enorm, sie in Österreich herzustellen fast unmöglich. 18.000 Doppler-Schirme im Jahr sind dennoch Made in Austria. Auch Sonnenschutz erzeugt Doppler überwiegend in Europa.

Wider die Wegwerfkultur

80 Prozent gehen in den Export. Von einer Schirmkultur wie in Japan, wohin Doppler stark liefert, kann die Branche in Europa nur träumen. Echtes Statussymbol sei der Schirm dort, sinniert Lackner: Ein Japaner erwerbe im Schnitt einen im Jahr. In Deutschland hingegen greife jährlich allein jeder vierte Einwohner zu einem neuen Modell, wie Statistiken belegten.

Mit Diskontwaren hat Doppler nichts am Hut, noch weniger mit der steigenden Zahl an Wegwerfschirmen, die nur dem einmaligen Gebrauch dienen. Lieber vertraut man auf Reparaturen und Ersatzteile. Und so findet sich in Braunau selbst für Schirme, die 30 Jahre auf dem Buckel haben, das passende fehlende Gelenk. (Verena Kainrath, 12.8.2016)