Ein Entwurf für die Asyl-Verordnung könne am 6. September vorgelegt werden, sagt Kanzler Christian Kern.

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Wien – Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bekennt sich zur geplanten Asyl-Sonderverordnung. Im APA-Interview hält er die Vorlage eines Begutachtungsentwurfs dafür am 6. September für möglich. Auch beim Streitthema Mindestsicherung kann es seiner Ansicht nach eine Lösung geben.

"Anfang September findet noch ein Gespräch auf der Ebene der Innen- und Verteidigungsminister zwischen Österreich und Ungarn statt", sagte Kern. "Dort müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, um die Verordnung umsetzen zu können und Menschen auch nach Ungarn zurückzubringen. Wenn das gelingt, halte ich den Ministerrat am 6. September für ein gutes Datum, um den fertigen Text in Begutachtung zu schicken."

Zuwanderung begrenzen

Für Kern liegt der Ball bezüglich der sogenannten Sonderverordnung bei Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Wenn die offenen Fragen geklärt seien, "dann werden wir es im Ministerrat behandeln, wenn nicht, müssen wir nacharbeiten". Für den Bundeskanzler ist das "keine emotionale Frage". Er bekennt sich zur Begrenzung der Zuwanderung, "diese ist in den letzten Monaten auch massiv gesunken". Aber Österreich müsse sich auch darauf vorbereiten, was passiere, wenn sich die Lage in Nordafrika und der Türkei verändere und erneut mehr Flüchtlinge kommen sollten. Diese Vorbereitung müsse aber juristisch sauber und unter Einhaltung der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit erfolgen und so, dass es auch wirklich funktioniert.

Der Bundeskanzler hält es für besonders wichtig, die EU-Außengrenze zu schützen. Österreich leiste dazu einen Beitrag, etwa an der Grenze Ungarns zu Serbien und nach den Gesprächen mit dem serbischen Ministerpräsidenten Vucic zukünftig auch an der serbisch-mazedonischen Grenze. "Wenn das funktioniert und der Türkei-Deal hält, werden wir möglicherweise mit der Obergrenze zurande kommen", hofft Kern, die vereinbarte Marke von 37.500 Asylverfahren vielleicht auch ohne Anwendung der Sonderverordnung nicht zu überschreiten. Er gesteht aber zu, dass es "eine Reihe von unberechenbaren Faktoren" gebe, deshalb verstehe er auch Sobotka, wenn dieser die Verordnung eher früher als später wolle.

"Auf gutem Weg"

Kern wünscht sich einen sauberen Begutachtungsentwurf mit einer entsprechend sorgfältigen Begutachtung. Für das Inkrafttreten müssen aber, so der Bundeskanzler, drei Punkte sichergestellt sein: Die technische Umsetzbarkeit mit Aufnahmezentren, Grenzsicherungskonzept und Personal. Hier sei man "auf gutem Weg". Bei der juristischen Umsetzbarkeit seien "noch nicht alle Fragen geklärt". Kern plädiert hier für ein "sorgfältiges Verfahren", weil auch dem Innenministerium nicht geholfen sei, wenn die Verordnung vom Europäischen Gerichtshof innerhalb kürzester Zeit wieder aufgehoben werde. Und drittens funktioniere eine solche Verordnung nur, wenn es auch Rücknahmevereinbarungen mit Ungarn, Slowenien und Italien gebe. Das sei alles noch zu tun.

Beim Streitthema Mindestsicherung hält der Bundeskanzler ein Einigung mit der ÖVP für durchaus möglich. "Wenn man das lösen möchte und nicht als willkommenes, ideologisches Sommerthema sieht, dann gibt es natürlich einen Weg." Kern plädiert dafür, nicht "die Ärmsten gegen die Allerärmsten" auszuspielen und verweist darauf, dass die Mindestsicherung ein Beitrag zur Vermeidung von Armut, von Gettos und von Obdachlosigkeit sei. Ohne auf Details der Verhandlungen einzugehen trat Kern für vermehrte Sachleistung, eine Wohnsitzpflicht für Asylwerber und die tatsächliche Anwendung von Sanktionen im Falle einer Arbeitsverweigerung ein. In der Vergangenheit seien in einigen Bundesländern Meldungen des AMS von den Bezirksverwaltungsbehörden oft nicht exekutiert worden.

"Blaue Republik"

Bei der Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl geht es nach Einschätzung Kerns auch darum, ob Österreich ein stabiler Faktor in der EU bleibe oder sich Kräfte wie in Großbritannien durchsetzen, die einen Austritt befürworten. Sollte der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer gewählt werden, müsste Österreich den Beweis liefern, "dass wir ein stabiler, berechenbarer Faktor innerhalb Europas sind". Einen Schritt in eine "blaue Republik" würde er darin aber nicht sehen.

Vorsichtig positiv hat ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald am Montag auf die Aussagen Kerns reagiert. "Jetzt wo Kanzler Kern doch seine Unterstützung für eine rasche Umsetzung bekundet, könnte Bewegung in die Sache kommen", sagte er zum Thema Notverordnung.

ÖVP lehnt Forderungen ab

Den drei Bedingungen, die Kern hervorgehoben hatte, stehe man in der ÖVP gelassen gegenüber. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) brauche keine Zurufe über die Medien, um seine gute Arbeit fortzusetzen. Wichtiger wäre, in dieser Frage Geschlossenheit zu zeigen und den Innenminister zu unterstützen, sagte McDonald.

Der Forderung Kerns technischer und juristischer Fragen sowie Rücknahmevereinbarungen mit Ungarn, Slowenien und Italien widersprach McDonald. Nationale Maßnahmen könne man nicht von anderen Staaten abhängig machen. "Wir brauchen den Dialog zu unseren Nachbarstaaten, dürfen uns aber nicht von ihren Entscheidungen abhängig machen. Bis wir keine effektiven europäischen Maßnahmen spüren, braucht Österreich nationale Maßnahmen, um die Interessen der Bürger zu wahren. Das Recht auf Zurückweisung an unseren Grenzen sollte eine davon sein", sagt der ÖVP-Generalsekretär.

Nach dem Zahlenspiel der vergangenen Wochen spiele Kern nun auf Zeit, meinte FPÖ Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung. Der Kanzler habe aber kein Konzept, um die Migrationswelle nach Österreich nachhaltig zu stoppen. (APA, 15.8.2016)