Früher gehörten die "Sesselfrauen" zum Parkbild. Wer im Wiener Stadtpark auf einem Sessel sitzen wollte, musste dafür bezahlen. Heute, so scheint es, gehören Pokémon-Go-Spieler zum Parkbild. Die Sesselfrauen wären jedenfalls irritiert. Nicht weil ihr Geschäftsmodell 1956 abgeschafft wurde, oder weil es an einem schönen Sommertag im August 2016 nur so wimmelt vor hunderten Parkgängern, die auf den Wegen flanieren, auf Bänken sitzen, es sich auf den Wiesenflächen gemütlich machen. Was hier verblüfft: sie alle starren auf Smartphones.
"Ein Flegmon", ruft einer und wischt auf dem Bildschirm seines Smartphones herum. Alle anderen tun es ihm nach. "Ein Pummeluff!", "Traumato!", "Evoli!", kündigen die Parkgänger ihre Monstersichtungen lautstark an. Man tauscht Tipps und Tricks aus, redet über gefangene Monster und deren Wettkampfpunkte. Doch taucht eines auf, dann setzen sich ganze Gruppen von Spielern in Bewegung. Jemand hat "Pikachu" gesichtet, das gelbe Monster mit den Kulleraugen, großen Ohren, roten Bäckchen und dem elektrisiert-gezackten Schwanz. Bei einem Pokéstop nicht weit von der U-Bahn-Station schießt eine Gruppe Monsterjäger bereits mit den virtuellen Pokébällen auf das niedlich wirkende Monster. Erfolgreiche Jäger haben es bereits geschnappt und registrieren es im Pokédex.
"Seid nett zueinander"
Ein Vater erklärt seinem Sohn das Pokémon-Spiel. Eine Gruppe Schüler läuft spielend durch den Park. Dort eine Frau im Hijab, unter einem schattigen Baum spielen Mädchen. Nerds mit "Ingress"-T-Shirts, auch ein Augmented-Reality-Spiel, schlendern durch die Anlage. Das Smartphone-Spiel hat im Wiener Stadtpark eine große, bunt gemischte Nutzerschaft.
John Hankes Firma Niantic hat das Spiel erst im Juli veröffentlicht. Das Interesse daran scheint noch ungebrochen. Pokémon-Go sei kein Spiel, bei dem es darum gehe, jemanden zu verprügeln, zitiert ihn die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" in einem Porträt. "Passt auf euch auf, seid nett zueinander", richtet er den Spielern aus.
Im Wiener Stadtpark schießen indes weiterhin Pokéstops mit rosafarben, herzförmigen Blättern aus dem virtuellen Boden und locken Monster wie Spieler an. Da watschelt ein "Enton", schon ist er gefangen. Immerhin besser als Enten füttern im Park. (sb, 15.8.2016)