Das will die Regierung verhindern: Menschenmassen, die über die Grenze laufen – wie hier im vergangenen Oktober im steirischen Spielfeld

Foto: APA / Erwin Scheriau

In den vergangenen Monaten sind die Flüchtlingszahlen allerdings deutlich zurückgegangen.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Jetzt hat der Kanzler also ein Machtwort gesprochen, das die roten Sprechchöre vorerst verstummen lässt. Ein paar Voraussetzungen müssten zwar erst erfüllt werden, weshalb das Innenministerium noch etwas Arbeit vor sich habe, aber ganz grundsätzlich: Die Sonderverordnung zur Einschränkung des Asylrechts – oder Notverordnung, wie sie auch genannt wird – könne Anfang September im Ministerrat behandelt, also de facto beschlossen werden, tat Christian Kern (SPÖ) am Montag kund.

Zuvor hatten noch zahlreiche Sozialdemokraten erklärt, dass eine Gefahr für die innere Sicherheit Österreichs, wie sie das Asylgesetz für eine solche Verordnung verlangt, aktuell wohl wirklich nicht zu erkennen sei. Nun – nach Kerns Ankündigung – üben sich die einstigen Kritiker in Zurückhaltung: Im Büro von Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely wird auf die Zuständigkeit des Bundes in dieser Sache verwiesen. Der Sprecher von Alois Stöger betont, dass der Sozialminister vergangene Woche bloß angemerkt habe, dass man eine Notverordnung nicht allein an den Zahlen vom Arbeitsmarkt festmachen könne.

Ministerium müsse Voraussetzungen "erfüllen"

Josef Cap, der für die SPÖ im parlamentarischen Hauptausschuss sitzt und die Asylsonderbestimmung deshalb formell absegnen müssen wird, kommentiert den Vorstoß seines Parteichefs mit den Worten: "Sobald das Innenministerium die Voraussetzungen Kerns erfüllt, steht der Verordnung überhaupt nichts im Weg, und der Hauptausschuss wird zustimmen."

Im schwarzen Innenministerium ruft eine der Bedingungen, die der Kanzler an den September-Termin knüpft, allerdings Unverständnis hervor: Zuerst müssten bei Gesprächen zwischen Österreich und Ungarn "die Voraussetzungen geschaffen werden, um Menschen auch nach Ungarn zurückzubringen", erläuterte Kern. Erst dann könne der Verordnungsentwurf in Begutachtung geschickt werden. "Die Rückübernahme als Voraussetzung ist widersprüchlich", sagt Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck im Gespräch mit dem STANDARD.

"Erst gar nicht einreisen"

Denn, so erklärt er: "Derzeit ist jeder Asylantrag zu prüfen, und der Antragsteller darf einreisen. Wird die Zuständigkeit eines anderen Landes festgestellt, wird eine Rückübernahme notwendig. Das ist die aktuelle Lage." Durch die geplante Asyl-Notverordnung solle es so weit aber nicht mehr kommen: "Die Sonderregelung bewirkt, dass jeder, der bei einer Grenzkontrolle einen Asylantrag stellt, eben erst gar nicht einreisen darf, solange ihm in Ungarn nicht Tod oder Folter droht", führt Grundböck aus. Eine Rückübernahme könne somit gar nicht mehr notwendig werden.

Im Innenministerium wird allerdings sehr wohl betont, wie bedeutend ein funktionierendes Dublin-System – vor allem eines mit Ungarn – grundsätzlich wäre: Aktuell würden 10.751 Personen in Österreich versorgt, bei denen noch nicht klar ist, ob sie gemäß der Dublin-Vereinbarung nicht eigentlich in einem anderen Land untergebracht werden müssten – sie werden deshalb auch noch nicht in jener Zählung berücksichtigt, die für das Erreichen der sogenannten "Obergrenze" relevant ist.

Mehr Anträge ohne neue Anträge

Können diese Menschen allerdings nicht überstellt werden, weil das betroffene Land sie nicht zurücknimmt, werden sie nach sechs Monaten in Österreich zum Asylverfahren zugelassen. "Selbst wenn ab heute niemand mehr einen Antrag stellt, werden es laufend mehr Zulassungen", sagt Grundböck.

Zur Erinnerung: Die Regierung hatte sich auf einen Richtwert von 37.500 Asylanträgen geeinigt, die Österreich dieses Jahr annehmen möchte. Aktuell wurden etwas mehr als 24.000 Personen zum Verfahren zugelassen. (Katharina Mittelstaedt, 15.8.2016)