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Wassili Lewit (in Blau) hatte seinen Gegner Jewgeni Tischtschenko zumeist im Griff. Am Ende stand der Kasache trotzdem als Verlierer da – und Tischtschenko als ausgebuhter Olympiasieger.

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Der Arm ist oben, Tischtschenko der Sieger.

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Rio de Janeiro – In der Boxhalle waren sich alle einig. Wassili Lewit (28) aus Kasachstan sollte der Olympiasieger im Schwergewicht sein. Seinen Gegner, Jewgeni Tischtschenko (25) aus Russland, hatte Lewit in allen drei Runden dominiert. Die Kampfrichter aus Algerien, Irland und Kolumbien waren sich auch einig. 29:28, 29:28, 29:28 – für Tischtschenko.

"Das kann nicht stimmen. Das ist ein olympischer Skandal", sagte ORF-Kommentator Sigi Bergmann. Und das Publikum sah es ähnlich. Pfiffe und Buhrufe erntete Tischtschenko. Sogar die Betreuer des Russen hatten nicht an den Sieg ihres Schützlings geglaubt und Lewit noch vor Urteilsbekanntgabe gratuliert.

Lewit hatte sich nichts vorzuwerfen. Er hielt den russischen Weltmeister davon ab, die größere Reichweite einzusetzen, drängte ihn immer wieder in die Seile. In der dritten Runde ging es rüde zur Sache. Beide schlugen wild zu. Nach einem Kopftreffer erlitt Tischtschenko ein Cut. Der Kampf endete mit einem heftigen Schlagabtausch – und mit einem äußerst fragwürdigen Urteil.

Buhrufe für den Sieger

"Ich dachte, dass ich gewonnen habe", sagte der Kasache, der 2009 Asienmeister war. Lewit gewann zwar nicht Gold, aber die Sympathien des Publikums. Wie ein Olympiasieger wurde er bejubelt. Während der Russe auch bei der Siegerehrung ausgebuht wurde. Lewit versuchte, das Publikum zu beruhigen, legte den Zeigefinger an die Lippen. "Jeder Boxer, der in den Ring kommt, verdient Respekt", sagte er. Tischtschenko verstand die Pfiffe gegen ihn nicht. "Ich bin darüber sehr traurig. Ich respektiere meinen Gegner und das Publikum. Ich kann nicht wissen, weshalb sie gebuht haben", sagte er. "Sie haben mir den Sieg gegeben, also wird es Gründe dafür geben."

Schon vor den Olympischen Spielen hatte der Guardian einige hochrangige Offizielle zitiert, die vor möglichen Manipulationen im Boxturnier warnten.

Die Gründe für den Unmut der Zuschauer, unter ihnen der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, könnten auch mit dem derzeit schlechten Ansehen russischer Sportler in Rio nach dem Dopingskandal in der Heimat zu tun haben. Auch in anderen Sportarten wurden Russen ausgepfiffen. Besonders hart traf es die Schwimmerin Julia Jefimowa. Die 24-Jährige war ursprünglich wegen ihrer Dopingvergangenheit für Rio gesperrt worden, erkämpfte sich aber vor dem Sportgerichtshof das Startrecht. Sie schwamm zu zwei Silbermedaillen. Die Konkurrentinnen verweigerten ihr den Handschlag.

Während die russischen Leichtathleten und die Gewichtheber von Olympia ausgeschlossen wurden, wurden alle elf Boxer und Boxerinnen zugelassen. Und einer von ihnen hat jetzt die Goldmedaille im Schwergewicht. Irgendwann wird keiner mehr danach fragen, wie er dazu gekommen ist. (rie, APA, Reuters, 16.8.2016)