Wenn der Storch kommt: Hebammen fordern eine Entmedikalisierung der Geburt.

Foto: wikipedia/Robert Lewis/[cc;2.0;by]

Wien – Mit Kerzenlicht, einer Duftlampe und einer eingelassenen Badewanne, mitten in einem in warme Rottöne getauchten Raum – so wurde Martina Triebl empfangen. Nicht etwa zu einem romantischen Date, sondern zu einem Liebesabenteuer der etwas anderen Art: der Geburt ihres ersten Kindes im "Geburtshaus von Anfang an" in Wien-Hietzing.

"Es war eine ruhige, gelassene Situation. Trotz extremer Momente hatte ich eine wunderschöne Geburt", sagt Triebl. Tochter Elisa ist heute zwei Jahre alt, und ihr zweites Kind, mit dem sie zum Zeitpunkt des Gesprächs hochschwanger ist, sollte ebenso im Geburtshaus zur Welt kommen.

Das Geburtshaus Hietzing ist eine umgebaute Wohnung in einem unscheinbaren Neubau im 13. Wiener Gemeindebezirk und eine Rarität in Österreich. Hier werden Kinder auf möglichst natürlichem Weg zur Welt gebracht, nämlich nur mithilfe von Hebammen, ganz ohne Ärzte. Es gibt keinen Kreuzstich, keine Schmerz- und keine Wehenmittel.

Aufgenommen werden allerdings nur Frauen, die eine unkomplizierte Schwangerschaft haben. Risikopatientinnen mit Mehrlingen, Beckenendlage oder Schwangerschaftsgestose werden an ein Spital verwiesen. "Mir war immer klar, dass ich meine Kinder nicht in einem Krankenhaus zur Welt bringen möchte. Eine Geburt ist keine Krankheit", sagt Triebl über ihre Beweggründe. "Ich habe das Gefühl, dass im Spital viel mehr eingegriffen wird als notwendig, und es dadurch erst zu Komplikationen kommt", meint die 32-Jährige.

Familiäre Atmosphäre

Beim Betreten des Geburtshauses fällt zu allererst die familiäre Atmosphäre auf, die man in einem großen Krankenhaus wohl lange suchen muss. Jeder zieht am Eingang die Schuhe aus, und statt eines hektischen Treibens geht es recht ruhig zu. Ein großer Raum steht für das breite Kursprogramm offen.

In einem abgetrennten Bereich befinden sich zwei Geburtszimmer – sie könnten genauso gut als bequeme Hotelzimmer durchgehen, wären da nicht neben Doppelbett und Holzschränken einschlägige Utensilien wie Gymnastikball, Geburtshocker und eine große Badewanne, ebenso dunkelrot wie die Wände. "Die Farbe der Gebärmutter", sagt Martina Klasz. Sie ist eine der vier Geburtshaus-Hebammen und gehört zum Gründungsteam der 2010 eröffneten Einrichtung.

Illustration: Blagovesta Bakardjieva

Am Anfang stand die Idee, jenen Familien eine Alternative zu bieten, die nicht in einem Spital entbinden wollen, für die aber eine Hausgeburt nicht infrage kommt, erzählt Klasz. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, sind doch von Hebammen betriebene Geburtshäuser in Deutschland und der Schweiz üblich. Hebammen sind von jeher die Geburtsexpertinnen schlechthin, abgesehen davon sind die Geburtsstationen in Wiener Spitälern komplett überlastet. Dennoch: "Wir standen vor einer Reihe von behördlichen Hürden", schildert Klasz. "Mangels einer gesetzlichen Grundlage mussten wir uns erst durch den Dschungel der Magistratsabteilungen kämpfen, bis uns Auflagen erteilt wurden. Ohne die Spende eines Mäzens hätten wir die Umbauten nicht finanzieren können."

Eine Berufsgruppe ohne Lobby

Sechs Jahre und mehr als 500 Geburten später scheitern die Hebammen immer noch an der Krankenkasse. Sie ersetzt nur 320 Euro der Kosten von 1500 Euro für eine Geburt. Zum Vergleich: In Deutschland zahlen die Kassen sämtliche Kosten einer Hebammengeburt. "Trotz der Defizite bei den Gebietskrankenkassen scheinen die Verantwortlichen nicht willig zu sein, Ansätze anzuerkennen, die zu einer deutlichen Kostenreduktion führen würden", kritisiert Klasz.

Eine normale Geburt in einem Spital würde die Kassen 3000 Euro, ein Wunschkaiserschnitt gar 7000 Euro kosten. Klasz sieht die Gründe dafür in der starren Bürokratie des Hauptverbands und fügt hinzu: "Wir Hebammen sind eine kleine Berufsgruppe ohne Lobby, unsere Anliegen werden einfach abgeschmettert." Nach wie vor ist das Geburtshaus in Hietzing nicht anerkannt – die Geburten werden wie Hausgeburten abgerechnet.

Dabei ist das Hebammen-Konzept ein Erfolg: Nur vier Prozent der Frauen mussten per Kaiserschnitt gebären – in Österreich liegt die Rate bei mehr als 30 Prozent. Insgesamt wurden acht Prozent der Frauen in eines von drei nahen Spitälern gebracht: das St. Josef-Krankenhaus, das Krankenhaus Hietzing und das Hanusch-Krankenhaus. Letzteres sperrt übrigens im Zuge der Spitalsreform per Oktober die Geburtsstation – weitere Versorgungsengpässe werden befürchtet.

Für Martina Triebl steht fest: "Ich habe volles Vertrauen in die Hebammen." Sie schätzt besonders die durchgehende Betreuung durch eine Person von der Schwangerschaft bis zum Wochenbett und die stressfreie Umgebung. "Unsere Uhren ticken anders als im Spital. Wir geben der Natur die Zeit, die sie braucht", sagt auch Martina Klasz. "Es ist nur schade, dass wir uns dafür noch immer rechtfertigen müssen." (Karin Krichmayr, CURE, 7.11.2016)