Angeli und Hans-Jörg Hinterleithner übernahmen den Gasthof vor zwei Jahren von Seniorchef Johann (hinten).

Foto: Majken Corti

Rehbock, die nicht zu schüchtern angebratene Nuss in Dunkelrosa, wird mit kurz sautierten Steinpilzen und Erdäpfelravioli kombiniert.

Foto: Majken Corti

Wenn der Abend sich langsam über den Strudengau senkt, dann kann es kaum schöner sein. Wie der Strom da zwischen Urwäldern, mächtigen Felsen und, hie und da, einem in der Vergangenheit vergessen wirkenden Uferdorf mäandern darf, das kann einem vor lauter Pracht schon einen Stich ins Herz geben.

Dass es hier auch ein Wirtshaus gibt, in dem seit zwei Jahren auf herzzerreißend gute – bislang aber nur von der lokalen Bevölkerung bemerkten – Weise gekocht wird, sollte den Besuch dieser wunderbaren Gegend tunlichst erleichtern. Lohnt sich nämlich echt und ist bei gutem Wind in kaum anderthalb Stunden von Wien zu erreichen.

Hochklassig lässig

Aber schön der Reihe nach: Der Gasthof Hinterleithner, ein leicht angejahrtes, in den 1980er-Jahren in Rustikalbarock modernisiertes Haus mit riesigem Nussbaum, war einst der Bahnhofswirt von Weins an der Donau. Die Bahn hält hier längst nicht mehr, der Gasthof aber hat sich gehalten. Vor allem, weil Hans-Jörg, der Sohn des Hauses, ihn vor zwei Jahren gemeinsam mit seiner Frau Angeli übernommen hat und seitdem eine Küche vorlegt, für die man auch weite Wege auf sich nehmen will.

Das Paar hat sich vor Jahren in der Gastgewerbeschule am Judenplatz gefunden. Angeli, deren Eltern aus Thailand nach Österreich gekommen waren, studierte danach Betriebswirtschaft, Hans-Jörg folgte dem Ruf eines unserer allerbesten Köche, Christian Petz, der das Restaurant im neuen Graben-Meinl zur damals heißesten Adresse des Landes gekocht hatte. Hinterleithner blieb lange an Petz' Seite, folgte ihm ins Coburg ebenso wie danach aufs Badeschiff.

Das merkt man. Der Mann kocht auf so hochklassige Art lässig und aufs Wesentliche konzentriert, wie man das von Petz in seinen besten Zeiten kennt – und ohne jede Prätention, in einem gestandenen Dorfwirtshaus, wo an der Schank wie je gezecht und aus allen Schloten gepofelt wird. Keine Sorge: Gegessen wird, wie es sich gehört, im weiß eingedeckten Gastzimmer oder unterm Baum.

Ruhmreiche Ravioli

Millefeuille von der Gewürzforelle ist eine riesige Portion vom roh marinierten Fisch – ebenso zart wie nachhaltig gewürzt, dazu gibt's aromatisch funkelnden Kräutersalat und ein paar Löffelchen Saiblingskaviar. Anderswo machen sie aus dieser Menge drei Portionen, die kosten dann aber nicht neun Euro wie bei Hinterleithner, sondern eher das Doppelte.

Rehbock, die nicht zu schüchtern angebratene Nuss in Dunkelrosa, wird mit kurz sautierten Steinpilzen und Erdäpfelravioli kombiniert. Aber was für welche: ganz dünner, elastischer und doch bissfester Teig, darunter eine scheinbar bescheidene Fülle, deren wunderliche Cremigkeit einen auf eine Zeitreise in die Mitte der 1990er-Jahre nimmt. So unwiderstehlich hat das damals bei Petz im Meinl geschmeckt.

Geschmortes Milchlamm, noch so ein Fetischprodukt aus dieser Ära, würzt Hinterleithner subtil mit Ras elHanout, bevor er es ebenfalls in diesen fantastischen Pastateig packt. Dazu gibt's Bohnenragout und ganz zarten, duftigen Lammjus. Ja Wahnsinn, für Pasta wie diese wird man in Italien heiliggesprochen! Schweinsbraten samt Erdäpfelknödel und Speckkraut gibt es nur am Wochenende, allein dafür muss man schleunigst wieder hin.

Ein Tipp noch: Zwischen Ybbs und Amstetten lässt sich der Strudengau ziemlich ideal in die Reiseplanung einbauen, um die Ödnis der Westautobahn für ein kurzes Stück mit einer der schönsten – und am wenigsten bekannten – Regionen des Landes zu tauschen. (Severin Corti, RONDO, 19.8.2016)

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