Die Polizei war unmittelbar nach der Entführung im Einsatz. Bislang fehlt von Jesus Alfredo Guzman aber jede Spur.

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Puerto Vallarta – Kampfansage in der mexikanischen Unterwelt: Als das schwer bewaffnete Kommando in den frühen Morgenstunden das elegante Restaurant "La Leche" im Badeort Puerto Vallarta stürmte, hatten sie es auf niemand Geringeren als den Kronprinzen des Sinaloa-Kartells abgesehen.

Die Frauen ließen sie gehen, die Männer trieben sie in die Geländewagen. Der Hauptpreis des Beutezugs: Jesus Alfredo Guzman, der Sohn des inhaftierten Drogenbosses Joaquin "El Chapo" Guzman. "Wir konnten vier der Entführten identifizieren.

Unter ihnen ist Jesus Alfredo Guzman Salazar, 29 Jahre, Sohn von Joaquin Guzman Loera", sagt der Staatsanwalt des Bundesstaates Jalisco, Eduardo Almaguer. Die Identifizierung gelang anhand von persönlichen Gegenständen, die die Ermittler in den vorm Restaurant zurückgelassenen Luxusautos der Opfer fanden.

Kartell Jalisco Nueva Generacion baut Einfluss aus

Hinter der Entführung steckt wohl das Drogenkartell Jalisco Nueva Generacion. "Darauf deuten die Ermittlungen hin", sagt Staatsanwalt Almaguer. Die Bande war einst mit dem Sinaloa-Kartell verbündet. Zuletzt mehrten sich allerdings die Hinweise auf einen Bruch der Allianz. Die Entführung von Guzman Junior ist ein Schlag ins Gesicht der einstigen Alliierten.

Das Kartell Jalisco Nueva Generacion hat seinen Einfluss zuletzt erheblich ausgebaut und gehört mittlerweile zu den mächtigsten Verbrecherbanden des Landes. Besonders viel Respekt vor den Angehörigen des einst wohl mächtigsten Drogenbosses der Welt scheinen sie auch nicht mehr zu haben. "El Chapo" war nach einem spektakulären Gefängnisausbruch im Jänner erneut verhaftet worden und wartet derzeit auf seine Auslieferung in die USA.

Um eine neue Flucht zu verhindern, wurde er in ein Gefängnis in Ciudad Juarez an der Grenze zu den USA verlegt. Dort muss der Chef des Sinaloa-Kartells ständig die Zelle wechseln. Die Haftanstalt wird von Polizisten und Soldaten abgeschirmt. Inwiefern er aus dem Gefängnis noch seine Geschäfte führen kann und wie weit sein Einfluss in der mexikanischen Unterwelt noch reicht, ist fraglich.

Sinaloa-Kartell nach Verhaftung geschwächt

Seit seiner Festnahme wird das Sinaloa-Kartell wohl von seinem Kompagnon Ismael Zambada Garcia alias "El Mayo" und seinen Söhnen geführt. Jesus Alfredo Guzman Salazar und sein Bruder Ivan Archivaldo Guzman Salazar hatten schon zuvor Schlüsselpositionen im Kartell inne und dürften nach der Verhaftung ihres Vaters noch einmal aufgestiegen sein. In den USA wurde gegen beide Anklage wegen Drogenhandels erhoben.

Das Kartell Jalisco Nueva Generacion hat jetzt offenbar die vermeintliche Schwäche des Sinaloa-Kartells ausgenutzt und einen direkten Angriff auf den Führungszirkel der Konkurrenz gewagt. "Die Attacke dürfte das bisher dramatischste Aufflackern des schwelenden Konflikts zwischen den beiden Gruppen sein", schreiben die Analysten des auf Sicherheitsthemen spezialisierten Nachrichtenportals Insight Crime.

Zuletzt hieß es bereits, dass das Kartell Jalisco Nueva Generacion versucht, dem Sinaloa-Kartell die Kontrolle über die Stadt Tijuana an der US-Grenze zu entreißen. Auch im Bundesstaat Colima mit seinem wichtigen Pazifikhafen Manzanillo sollen die beiden Verbrechersyndikate aneinandergeraten sein.

Im Kampf um Marktanteile und Schmuggelrouten gehen die mexikanischen Drogenkartelle über Leichen. Die Entführung des Sohns eines Verbrecherbosses aber ist nicht nur ein Angriff auf das Geschäft, sondern auch auf Familie und Ehre. Die Antwort des Sinaloa-Kartells dürfte nicht lange auf sich warten lassen. (APA, 17.8.2016)