Vor wenigen Tagen erneuerte Sozialminister Alois Stöger öffentlich den Wunsch der SPÖ, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Dieses Ansinnen mag in einer Koalition mit der ÖVP nur schwierig umzusetzen sein. Dennoch ist der Vorstoß von Minister Stöger strategisch durchaus klug. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist nämlich in Österreich längst mehrheitsfähig.

Eine Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2015 zeigt, dass es hierzulande etwa doppelt so viele Befürworter (62 Prozent) wie Gegner (32 Prozent) der gleichgeschlechtlichen Ehe gibt (sechs Prozent machten keine Angabe).

Den Teilnehmern dieser Befragung wurden folgende Aussagen vorgelegt:

  • Schwule, lesbische und bisexuelle Menschen sollten dieselben Rechte haben wie heterosexuelle Menschen.
  • An einer sexuellen Beziehung zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts ist nichts Falsches.
  • Gleichgeschlechtliche Ehen sollten in ganz Europa erlaubt sein.

Dabei ist zu bemerken, dass die dritte Fragestellung mit ihrem Bezug auf "ganz Europa" eine etwas höhere Hürde darstellt als die Zustimmung zur Öffnung im eigenen Land. Manche Befragten könnten etwa durchaus der Meinung sein, dass in ihrem Land die Ehe allen Paaren offenstehen soll, dasselbe aber nicht für alle Länder Europas gelten müsse.

Christian Kern (SPÖ) war als erster Bundeskanzler auf der Wiener Regenbogenparade.
Foto: Andy Wenzel

Die erste Grafik zeigt die Zustimmung zu den drei Fragestellungen in den 28 EU-Mitgliedstaaten. Insgesamt ist die Zustimmung zur ersten Frage (gleiche Rechte) am höchsten, jene zur dritten (Ehe) am niedrigsten. Bemerkenswert ist aber vor allem die enorme Varianz zwischen den Ländern. Während in Dänemark, Schweden oder den Niederlanden die völlige Gleichstellung homosexueller Beziehungen praktisch nationaler Konsens ist, ist dies in Bulgarien, Rumänien oder den baltischen Staaten eine Minderheitenmeinung.

Österreich liegt im vorderen Mittelfeld. Verglichen mit den postkommunistischen Ländern Osteuropas ist die öffentliche Meinung hierzulande recht liberal, verglichen mit West- und Nordeuropa aber doch recht konservativ.

Was an diesen Daten besonders interessant ist: Sie spiegeln fast perfekt die Rechtslage in den jeweiligen Ländern wider. Die zweite Grafik zeigt die Zustimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe, gruppiert nach geltendem Recht.

In keinem Land ohne Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare liegt die Zustimmung bei mehr als 26 Prozent (22 Prozent im Durchschnitt). In allen Ländern, die die gleichgeschlechtliche Ehe erlauben, ist der Zustimmungswert 61 Prozent oder höher (78 Prozent im Mittel). Fast ohne Überlappung liegen die Länder mit eingetragenen Partnerschaften dazwischen (durchschnittliche Zustimmung: 48 Prozent).

Einige Länder (in der Grafik mit Sternchen markiert) verfügen sogar über ein explizites gesetzliches Verbot homosexueller Ehen (oft als Verfassungsbestimmung). Wenig überraschend ist in diesen Ländern die öffentliche Meinung auch eher konservativ.

Natürlich stellt sich hier die Frage, woher die enge Korrespondenz zwischen öffentlicher Meinung und Rechtslage kommt. Entweder bilden die politischen Entscheidungen nahezu perfekt die Präferenzen der Wählerschaft ab, oder die Einstellung der Bevölkerung passt sich an die herrschende Gesetzeslage an (was ein Argument wäre, um der öffentlichen Meinung weniger Gewicht in der politischen Entscheidung zuzugestehen). Empirisch ist diese Frage nicht so leicht zu beantworten. Gut möglich, dass beide Mechanismen gleichzeitig wirken.

Für Österreich gilt jedenfalls, dass es in puncto öffentlicher Meinung wenig Argumente gegen eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gibt. Andere Staaten mit ähnlichen Zustimmungsraten (Portugal oder Finnland etwa) haben diesen Schritt bereits getan. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 17.8.2016)