Istanbul – Regierungsnahe türkische Medien haben die Einstufung des Landes als "zentrale Aktionsplattform" für Islamisten im Nahen Osten durch die deutsche Bundesregierung scharf kritisiert. Die Tageszeitung "Yeni Safak" schrieb am Mittwoch von einer "niederträchtigen Verdrehung der Tatsachen".

Sie zielt dabei vor allem auf den TV-Sender "ARD", der als erster über die vertrauliche Antwort des deutschen Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken berichtet hatte. Der deutsche Sender habe die Antwort der Regierung "verfälscht" und damit Reaktionen mit Beschuldigungen der Türkei ausgelöst, behauptete das Blatt.

"Schock-Behauptung"

Die Zeitung "Hürriyet" hob in einem Einspalter unter der Überschrift "Schock-Behauptung aus Deutschland" hervor, dass in dem Bericht der Name von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erstmals offiziell im Zusammenhang mit einer Terrororganisation genannt werde.

Von "Verleumdung" und "Lug und Trug" war in der Tageszeitung "Sabah" die Rede. Während Deutschland Mitgliedern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK erlaube, sich frei auf den Straßen zu bewegen und Geld für die Organisation einzusammeln, beschuldige es die seit Jahren gegen den Terror kämpfende Türkei, radikale islamische Terrororganisationen zu unterstützen.

Eine offizielle Reaktion der türkischen Regierung auf den am Dienstag bekannt gewordenen Bericht lag auch am Mittwoch zunächst nicht vor. In der Stellungnahme der deutschen Bundesregierung, die auf Einschätzungen des Bundesnachrichtendienstes basiert, heißt es unter anderem, die Türkei habe sich seit 2011 schrittweise "zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens" entwickelt.

Auswärtiges Amt gibt sich verhalten

Das Auswärtige Amt distanzierte sich in einer Stellungnahme etwas. Man mache sich die von Medien berichteten Aussagen "in dieser Pauschalität" nicht zu eigen, sagte eine Sprecherin von Ressortchef Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch in Berlin. Die Türkei bleibe in der Nato und auch beim Konflikt in Syrien ein wichtiger Partner. Auf die Inhalte der Bewertung ging sie mit dem Hinweis nicht im Detail ein, dass diese teilweise als vertraulich eingestuft seien.

Der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, sagte: "Ich habe hier keine eigene Beurteilung vorzunehmen." Auch er verwies in der Regierungspressekonferenz auf die Vertraulichkeit bestimmter Passagen. Gleichwohl räumte er ein, dass auch das Kanzleramt an der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage durch das Bundesinnenministerium mitwirkte. Es seien verschiedene Akteure der Regierung beteiligt gewesen. "Das Kanzleramt war einer davon", sagte Seibert.

An der Kooperation mit der Türkei werde man festhalten. Zur Kooperation in der Flüchtlingsfrage erklärte Seifert, Deutschland habe keinen Anlass, "dieses sinnvolle Abkommen infrage zu stellen". Die Türkei sei außerdem ein Partner im Kampf gegen den IS. (APA, 17.8.2016)