Ötzi, der vermutlich meistuntersuchte Mensch, der je gelebt hat.

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Bozen – Parodontitis, Borreliose, Laktoseintoleranz, Gallensteine, Arterienverkalkung und Würmer – 25 Jahre Forschung an der Gletscherleiche "Ötzi" haben dessen mannigfaltige Krankheiten zutage gefördert. Wissenschafter untersuchten nicht nur seine Tätowierungen, seinen Mageninhalt und seine Darmbakterien, sondern fanden auch Verwandte, rekonstruierten ihn und gaben ihm zuletzt sogar eine Stimme.

Steckbrief

25 Jahre nach dem Fund der weltbekannten Gletschermumie Ötzi hat die Forschung bereits eine Vielzahl der Rätsel rund um die über 5.000 Jahre alte Gletscherleiche gelöst, die am 19. September im Südtiroler Teil der Ötztaler Alpen entdeckt wurde. Ötzi war zu Lebzeiten etwa 1,60 Meter groß, hatte Schuhgröße 38 und wog rund 50 Kilogramm. Der Mann hatte braune Augen, braune Haare und Blutgruppe 0.

Ötzi hatte zudem eine genetische Veranlagung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. CT-Untersuchungen der Mumie zeigten bereits erste Symptome einer Arterienverkalkung. Den Mann plagten zudem Karies und Parodontitis, vermutlich unfallbedingt war einer seiner Frontzähne abgestorben.

Sein letzter Tag

Kurz vor seinem Tod hatte der Mann Steinbock, Hirsch, Brot und Gemüse gegessen. Das Hirschfleisch war offenbar nicht mehr ganz frisch gewesen, denn es enthielt eine Fliegenmade, die die Forscher im Darm der Mumie fanden. Für eine zeitweise Ernährung vorwiegend mit Fleisch sprechen nach Ansicht der Forscher vor allem auch die bei einer computertomografischen Untersuchung gefundenen Gallensteine.

Dass es jemals zu einer Klärung des letzten Tathergangs unmittelbar vor dem Tod des Gletschermannes kommen wird, bezeichneten Forscher als unwahrscheinlich. Klar ist, dass Ötzi an der linken Schulter von einem Pfeil getroffen wurde. Zudem hat sich der Mann vermutlich erst kurz vor seinem Tod ein Schädel-Hirn-Trauma zugezogen – ob durch einen Schlag oder einen Sturz, blieb vorerst ungelöst. Unmittelbar vor Ötzis Tod fand offenbar ein Nahkampf statt, worauf tiefe Schnittwunden an seiner rechten Hand hindeuten.

Es gibt noch Verwandte

Während der mütterliche Familienzweig von Ötzi höchstwahrscheinlich ausgestorben ist, war die genetische Linie seines Vaters in der Jungsteinzeit in ganz Europa verbreitet und findet sich dort auch heute noch. Bei einer Studie der Innsbrucker Gerichtsmedizin waren sogar 19 noch heute in Tirol lebende Verwandte von Ötzi aufgespürt worden.

Mehr als 60 Tätowierungen übersäen den Körper des Mannes aus dem Eis. Diese könnten eine frühe Form der Schmerzbehandlung gewesen sein. Die Tätowierungen entstanden nämlich durch feine Schnitte und befinden sich genau dort, wo Ötzi Verschleißerscheinungen hatte – an der Lendenwirbelsäule, am rechten Knie und an den Sprunggelenken. Forscher gehen davon aus, dass die Durchtrennung feiner Nervenstränge eine Schmerzlinderung bewirken könne.

Wo Ötzi zu sehen ist

5.000 Jahre nach seinem Tod soll Ötzi 2017 erneut auf Wanderung gehen. Hierfür wurde eigens eine 1:1-Kopie des Gletschermannes angefertigt, die in einer Wanderausstellung zum Thema "Mann aus dem Eis" durch die USA und Kanada touren wird. In einem 3D-Drucker wurde die Mumie Schicht für Schicht aus Harz und unter Luftabschluss in einem Flüssigkeitsbad nachgeformt.

Zuletzt versuchten Wissenschafter sogar Ötzi seine Stimme zurück zugeben. Durch das Scannen und Bearbeiten von Röntgenbildern soll es möglich werden, eine Bestimmung des Stimmkanals und einen "Resonanzboden" von Ötzi zu erhalten. Ötzi soll so in Zukunft von den Besuchern des Südtiroler Archäologiemuseums nicht nur gesehen, sondern auch gehört werden.

Im Detail kann man den Mann aus dem Eis seit einigen Jahren auf der Website "Iceman Photoscan" im Internet betrachten: Mit 150.000 Aufnahmen wurde Ötzi millimeterweise fotografisch erfasst und aus 16 verschiedenen Perspektiven aufgenommen. 3-D-Bilder vermitteln eine räumliche Vorstellung der ältesten Feuchtmumie der Welt. (APA, red, 22. 8. 2016)