Vitamin D ist ein Hormon und wird vom Organismus gebraucht. Mit dem Sonnenlicht produziert es der Körper selbst.

Foto: APA

EbM-Experte Gerald Gartlehner nimmt für derStandard.at regelmäßig aktuelle Studien unter die Lupe.

Foto: georg h. jeitler/donau-uni krems

Immer wieder wird Vitamin D als angebliches Wundermittel hochgelobt. In den Apotheken wird es in den unterschiedlichsten Formen angeboten, von der Kautablette über Tropfen bis hin zum Brausepulver. Die Mittel sollen nicht nur die Knochen festigen, sondern auch das Immunsystem stärken, Infektionskrankheiten, Krebs und Alzheimer vorbeugen und sogar chronische Schmerzen lindern.

Einige Experten gehen sogar so weit, die tägliche Einnahme von Vitamin D – Präparaten ganz pauschal für den Großteil der Bevölkerung zu empfehlen. Angeblich hat ein Großteil der Bevölkerung einen starken Mangel an dem Vitamin, daher bestimmen manche Ärzte bei ihren Patienten bereits routinemäßig den Vitamin D – Blutspiegel.

Die Wirkung von Sonne

Unsere Haut kann mit Hilfe von Sonnenlicht Vitamin D selbst herstellen. Dazu genügen je nach Helligkeit der Haut im Sommer schon 5 bis 15 Minuten pro Tag, im Frühling und Herbst dürfen es zwischen 10 und 25 Minuten sein.

Es ist auch kein Sonnenbad in Badebekleidung nötig, Gesicht und Hände der Sonne auszusetzen genügt. Im Winter kann der Körper auf selbst angelegte Vorräte zurückgreifen. Weil der Körper Vitamin D selbst produziert, ist die Bezeichnung "Vitamin" eigentlich falsch, in Wirklichkeit handelt es sich um ein Hormon. Vitamin klingt aber wohl besser.

Anstatt hinaus in die sonnige Natur zu gehen, sitzen wir jedoch immer öfter im Büro vor dem Computer oder daheim vor dem Fernseher. Die Folge: bei rund vier von zehn Österreichern liegt der Vitamin D-Spiegel im Blut laut österreichischen Ernährungsbericht unter den Empfehlungen. Allerdings: ab welchem Wert die Grenze zum ungesunden Vitamin D-Mangel unterschritten ist, darüber sind sich Experten gar nicht so einig, wie es oft scheint.

Aus der Luft gegriffen

Bei der Vorbeugung von Knochenschwäche (Rachitis) bei Kindern haben Präparate mit Vitamin D durchaus ihre Berechtigung. In Kombination mit Kalzium können Vitamin D – Präparate auch das Risiko für Knochenbrüche bei alten Menschen etwas verringern. Die meisten anderen Heilsbehauptungen sind jedoch deutlich überzogen.

So deutet die derzeitige Studienlage eher darauf hin, dass Vitamin D Menschen mit Arthritis, ständigen Muskelschmerzen oder anderen chronischen Schmerzleiden nicht helfen kann. Auch die Behauptung, dass es nur ausreichend Vitamin D-Tropfen braucht, um Demenzerkrankungen wie Alzheimer zu verhindern, ist leider aus der Luft gegriffen.

Manche Experten vertreten die Theorie, dass Schnupfen, Halsweh und Co deshalb gehäuft in der kalten Jahreszeit auftreten, weil da die Tage kürzer sind und unsere Haut weniger Sonnenlicht zur Vitamin D – Produktion abbekommt. Klingt plausibel, scheint aber falsch zu sein. Jedenfalls dürfte die Einnahme von Vitamin D weder das Immunsystem stärken noch Erkältungen vorbeugen können.

Tatsächliche Wirkung

Klinischen Studien zufolge könnte Vitamin D bei alten Menschen die Wahrscheinlichkeit etwas verringern, an Krebs und anderen Ursachen frühzeitig zu versterben. Allerdings in begrenztem Ausmaß: nur einer von 150 Studienteilnehmern, die fünf Jahre lang ein Vitamin D3-Präparat einnahmen, lebte schlussendlich länger als ohne Vitaminzusatz. Zu berücksichtigen ist, dass die untersuchten Probanden vornehmlich Frauen über 70 waren, die wahrscheinlich selten ins Freie kamen und daher bereits einen Vitamin D-Mangel hatten.

Möglicherweise können Vitamin D – Zusätze bei Schwangeren auch eine Frühgeburt, untergewichtige Babys oder schwangerschaftsbedingten Bluthochdruck verhindern – hier sind allerdings noch weitere Studien nötig.

Verbriefte Nebenwirkungen

Gesichert ist hingegen, dass Vitamin D-Präparate auch Nebenwirkungen haben. In Kombination mit Kalzium etwa können sie Nierensteine verursachen. In sehr großen Mengen kann Vitamin D auch giftig sein. Vitamin D aus "Eigenproduktion" durch Sonnenlicht lässt sich übrigens nicht überdosieren. Wenn unser Körper genug hat, hört er einfach auf, mehr davon herzustellen.

Wer Bedenken hat, dass der eigene Vitamin D-Spiegel möglicherweise zu niedrig ist, könnte einfach versuchen, ein paar Minuten täglich im Freien verbringen. Im Gegensatz zu Vitamin D – Präparaten ist die Sonne nämlich kostenlos. Beispielsweise bietet sich an, kurze Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen statt mit dem Auto – auch das tut der eigenen Gesundheit gut. (Gerald Gartlehner, 19.8.2016)