"Wir müssen einsehen, dass wir ein Problem haben", sagte Sebastian Kurz. Derzeit 25.000 arbeitslose anerkannte Asylwerber sollen künftig verpflichtend gemeinnützige Ein-Euro-Jobs annehmen müssen.

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Wien – Mit einem auf Flüchtlinge abzielenden Maßnahmenpaket möglicher Gesetzesverschärfungen hat Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag den Koalitionspartner SPÖ unter Druck gesetzt.

Anerkannte Asylwerber, die arbeitslos sind, sollen verpflichtend gemeinnützige Ein-Euro-Jobs annehmen müssen. Werde dies verweigert, sei eine Kürzung der Mindestsicherung möglich. Diese soll überhaupt nur Beziehern in vollem Umfang zustehen, die seit fünf Jahren rechtmäßig in Österreich leben. Davor soll es deutlich reduzierte Zahlungen geben. Kurz sprach sich weiters für ein Verbot der Vollverschleierung aus.

Die Bundes-SPÖ reagierte vorerst zurückhaltend. Man warte auf die Kurz-Vorlage, hieß es. Aus SPÖ-Kreisen klang durch, dass der Vorstoß nicht mit den Roten akkordiert worden sei. Die Spitzen der steirischen SPÖ sprachen von einem "nicht akzeptablen Angriff" auf den Arbeitsmarkt. Am Freitag meldete sich schließlich doch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler im Ö1-"Morgenjournal" zu Wort. Er zeigte sich überrascht, dass der Koalitionspartner nicht früher von den Plänen informiert wurde, sondern Kurz zuerst an die Öffentlichkeit ging.

Kurz: "Haben ein Problem"

Kurz will die Gesetzgebung für Zuwanderer aus Drittstaaten signifikant verschärfen. Damit sind vor allem anerkannte Flüchtlinge gemeint. "Wir müssen einsehen, dass wir ein Problem haben", sagte er am Donnerstag. Für einige heimische Politiker – damit zielte Kurz vor allem auf Sozial- und Arbeitsminister Alois Stöger (SPÖ) ab – sei es aber eine "große Hürde, das zuzugeben".

Arbeitslosenzahlen verdoppelt

Laut Kurz habe sich etwa die Zahl der anerkannten Asylwerber in Österreich, die arbeitslos gemeldet sind, innerhalb eines Jahres auf 25.000 verdoppelt. "Und jeden Monat kommen rund 1.000 dazu", sagte er. Nach einem Jahr seien nicht einmal zehn Prozent der anerkannten Asylwerber am Arbeitsmarkt zu finden.

Primär gelte es den weiteren Zustrom von Flüchtlingen nach Österreich zu reduzieren. Diese Aufgabe hat unter anderem Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) inne. Dieser bastelt – zusätzlich zur geplanten Notverordnung – an Verschärfungen im Fremden- und Sicherheitspolizeigesetz sowie im Strafrecht – DER STANDARD berichtete.

Kurz sieht aber auch im Bereich der bereits anerkannten Asylwerber, subsidiär Schutzberechtigten und Einwanderer aus Drittstaaten – salopp gesagt also bei allen nicht aus EU-Staaten stammenden Zuwanderern – dringenden Handlungsbedarf. Diese sollen von einem neu zu erarbeitenden Integrationsgesetz betroffen sein. Die Eckpunkte im Detail:

Verpflichtende Ein-Euro-Jobs

Anerkannte Asylwerber sollen künftig verpflichtet werden können, gemeinnützige Jobs im öffentlichen Bereich anzunehmen. Für eine Stunde im Dienst (etwa für die Instandhaltung öffentlicher Flächen) soll es zusätzlich zu Sozialgeldern einen Euro geben. Kurz könne sich nach deutschem Vorbild Verpflichtungen im Rahmen von 15 bis 30 Stunden pro Woche vorstellen. In einem zweiten Schritt könnte die Verpflichtung auf gemeinnützige Jobs bei NGOs im Flüchtlings- oder Sozialbereich ausgedehnt werden.

Von dieser Maßnahme wären 25.000 beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldete arbeitslose anerkannte Asylwerber betroffen. Diese Gruppe ist stark im Steigen begriffen. Um Flüchtlinge dorthin zu bringen, wo es (gemeinnützige) Jobs gibt, könnte eine Residenzpflicht eingeführt werden. Diese beurteilt Kurz als "sinnvoll". Werde der Job verweigert, gebe es Sanktionen – etwa die Kürzung der Mindestsicherung. Diese soll laut Kurz ohnehin reformiert werden.

Reduktion der Mindestsicherung

Fünf Jahre rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich ist laut Kurz nötig, um vollen Anspruch auf die Mindestsicherung zu haben. Davor soll es eine reduzierte Form geben. Aus ÖVP-Kreisen ist zu hören, dass eine Reduktion auf etwa 560 Euro realistisch sei. Der Mindeststandard beträgt aktuell knapp 840 Euro. Oberösterreich hat die Mindestsicherung für anerkannte Asylwerber bereits von 914 auf 520 Euro (inklusive Integrationsbonus) gekürzt.

Dass anerkannten Flüchtlingen eine sinnvolle Beschäftigung gegeben werden soll, sieht auch Niedermühlbichler positiv: "Aber es muss zuerst Angebote geben", sagte er im Ö1-"Morgenjournal". Erst dann könne man die Personen zu Tätigkeiten verpflichten. Der SPÖ-Bundesgeschäftsführer warnt außerdem davor, die Ein-Euro-Jobs als Ersatz für Sprachkurse zu sehen.

Kritik an den Ein-Euro-Job-Plänen kommen am Donnerstag aus Vorarlberg. Der Leiter des Landes-AMS, Anton Strini, sagte zum ORF-Radio, dass es für die 390 gemeldeten Asylberechtigten genügend Nachfrage aus Tourismus, Gewerbe und Landwirtschaft gebe. Menschen, die nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden können, würden von Krieg und Flucht so traumatisiert sein, dass sie auch keine Ein-Euro-Jobs machen können.

Koranverteilungsaktionen überprüfen

Kurz will auch gegen die Verteilung von Schriften durch problematische Personen vorgehen. Bei den umstrittenen öffentlichen Koranverteilaktionen seien das "in der Regel Salafisten", sagt Kurz. Sicherheitsbehörden sollen die Situation beurteilen: Konsequenz können Geldstrafen oder das Verbot der Verteilaktion sein.

Burkaverbot

Ein Verbot der Vollverschleierung sei laut Kurz "Teil unserer Überlegungen". In Österreich gehe es aber mehr um den Niqab (bei dem ein Schlitz für die Augen frei bleibt) als um die Burka. Diese sei "Symbol für eine Gegengesellschaft". Eine Vollverschleierung lehne er ab, sagte Kurz. 2014 hatte er ein von der FPÖ gefordertes Burkaverbot noch von sich gewiesen.

Auch Niedermühlbichler ist von dem Vorstoß überrascht. Er befürchtet, dass vollverschleierte Frauen durch solch ein Verbot gar nicht mehr aus dem Haus gehen: "Und Integration ist zu Hause nicht möglich", sagte er auf Ö1.

Deutsch- und Wertekurse

Hier strebt Kurz einen Rechtsanspruch für Flüchtlinge an. Gleichzeitig soll es mit dem Gesetz eine Mitwirkungspflicht geben: Werden Deutsch- und Wertekurse nicht besucht, soll es einheitlich geregelte Sanktionen geben. Derzeit seien diese nur Stückwerk.

Das Vorgehen von Kurz sei mit Sobotka "natürlich koordiniert". Man hoffe auf eine Einigung mit der SPÖ. Für bessere Vorschläge sei er offen. Das Integrationsgesetz soll im nächsten halben Jahr erarbeitet werden. Ziel ist eine Beschlussfassung vor Sommer 2017. (David Krutzler, 18.8.2016)