Styria-Vorstandsvorsitzender Markus Mair.

Foto: Styria Media Group/Jungwirth

Wien – Am Dienstag verkündete die Styria Media Group das Aus für das "Wirtschaftsblatt". Die Mitarbeiter appellieren jetzt in einem offenen Brief an die Styria-Vorstände Markus Mair, Kurt Kribitz und Klaus Schweighofer, die Wirtschaftszeitung noch nicht einzustellen. Sie hoffen beispielsweise auf mögliche Investoren, die an der Übernahme der Zeitung interessiert sein könnten: "Geben Sie uns also noch etwas Zeit, diese Zeitung zu retten."

Der offene Brief im Wortlaut

"Die Mitarbeiter der WirtschaftsBlatts blicken mit größter Sorge auf die anstehenden Verhandlungen über einen Sozialplan zwischen Betriebsrat und der Geschäftsführung. Die plötzliche und überstürzte Ankündigung der Schließung der einzigen Wirtschaftszeitung Österreichs hat nicht nur uns, die Mitarbeiter, völlig überraschend getroffen. Sie hinterlässt vor allem eine Frage: Haben die Verantwortlichen im Verlag tatsächlich jede Option der Weiterführung des Blattes geprüft und so den Weg in die digitale Zukunft vorbereitet? Erste Reaktionen aus der Wirtschaftswelt auf die Entscheidung des Verlages zeigen, dass dies nicht der Fall sein kann.

Allein schon, dass der Verlag keine Vorstellungen über die erwarteten Kosten der Abwicklung des WirtschaftsBlatt hat, lässt uns befürchten: Die Verantwortlichen gehen ohne klaren Plan und Konzept in die Verhandlungen, um uns den Übergang in die Arbeitslosigkeit und die anstehende schwierige Jobsuche, so gut wie es nur geht, zu erleichtern. Alle Aussagen der Verantwortlichen bestätigen unseren Eindruck, was um so schwerer wiegt, weil die meisten von uns wohl nie wieder eine Arbeit im Journalismus oder der Medienbranche finden werden, wenn das WirtschaftsBlatt nicht gerettet wird. Ein fatales Signal auch für die österreichische Gesellschaft.

Bei allen wirtschaftlichen Gründen, die am Ende zur Schließung der Zeitung führen mögen, haben wir dafür kein Verständnis. Viele Wirtschafsvertreter des Landes haben unverzüglich ihre Verbundenheit mit dem WirtschaftsBlatt klar geäußert, allen voran Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Es sind unsere treuesten Leser, die wir über Jahre bei ihren Erfolgen und auch Misserfolgen kritisch begleitet haben. Das bestätigt: Österreich braucht einen unabhängigen Wirtschaftsjournalismus, der den Geschäftsleuten des Landes eine Stimme verleiht – bei allen Herausforderungen auf den heimischen und globalen Märkten – und der dabei natürlich auch Missstände in der Wirtschaft und Gesellschaft aufdeckt.

Daher können wir uns der Forderung des Wirtschaftskammerpräsidenten Leitl nur anschließen, dass "für einen Fortbestand der Zeitung und der dortigen Arbeitsplätze alle Möglichkeiten genutzt werden – verlagsintern oder -extern, etwa über Kooperationen oder Investoren, die das Wirtschaftsblatt weiterbetreiben." Wir fordern von der Verlagsleitung, uns und der Öffentlichkeit so schnell wie möglich (also spätestens nächste Woche) alle Gründe zu nennen, warum etwaige Interessenten nicht zum Zuge kommen, von denen Leitl hier spricht und die das WirtschaftsBlatt für die digitale Zukunft fit und profitabel machen wollen. Ein Vorhaben, das bei der Styria im jetzigem Rahmen und nach unzähligen Sparrunden offensichtlich an Grenzen stößt. Denn als Wirtschaftsjournalisten wissen wir eins nur zu genau: Nur ein Unternehmen oder Medienprodukt, das beständig in seine Zukunft investiert, kann am Markt überhaupt bestehen. Das war beim WirtschaftsBlatt schon seit Jahren nicht mehr der Fall.

Fassungslos stehen wir vor der Entscheidung der Verlagsleitung, nachdem von uns, den Mitarbeitern, in den vergangenen drei Jahren unzählige Initiativen ausgegangen sind: Sei es, dass wir unter schwierigsten Bedingungen selbst noch in unserer Freizeit an digitalen Dossiers oder neuen Videoformaten gearbeitet oder an Konzepten für einen modernen Webseitenrelaunch gefeilt haben. Von diesem außerordentlichen Engagement einer Belegschaft und seiner geballten Wirtschaftskompetenz kann nur jeder Investor träumen, der auch im digitalen Zeitalter mit einer etablierten und anerkannten Medienmarke sowohl in Print als auch Online bestehen will.

Zumal das WirtschaftsBlatt für seine digitale Kreativität, Recherchetiefe und journalistische Qualität als erste Redaktion aus Österreich überhaupt mit dem deutschen Georg von Holtzbrinck-Preis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet wurde. Selbst im Nachbarland hat man bemerkt, dass beim WirtschaftsBlatt die besten Wirtschaftsjournalisten, Grafiker oder Fotoredakteure des Landes arbeiten und uns mit dem renommiertesten Journalistenpreis in diesem Metier ausgezeichnet. Wir sind bitter enttäuscht, dass die Verlagsleitung gerade in den vergangenen Wochen nicht einmal versucht hat, zusammen mit uns Mitarbeitern nach Konzepten oder Interessenten zu suchen, die das WirtschaftsBlatt noch retten können.

Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass die Zeit für eine Rettung des WirtschaftsBlatts in dieser schwierigen Branche noch nicht abgelaufen ist. Wir und die Öffentlichkeit lassen uns aber nicht einfach mit vagen Erklärungen abspeisen. Das hat die Medienlandschaft und die Geschäftswelt in Österreich so nicht verdient. Geben Sie uns also noch etwas Zeit, diese Zeitung zu retten. Wenn aber Verlag und Mitarbeiter auch dann erfolglos bleiben sollten, werden wir natürlich den Betriebsrat in allem unterstützen, eine für alle Seiten wirtschaftlich verträgliche und faire Lösung zu finden. Und dafür sollten sich alle Seiten gründlich vorbereiten und selbstverständlich auch alle Möglichkeiten im Verlag nutzen dürfen. Denn das Engagement und die Leidenschaft, mit der die Mitarbeiter für die Zeitung noch immer arbeiten und kämpfen, sowie die Treue unserer Leser darf nicht mit weiteren überstürzten Entscheidungen bestraft werden." (red, 18.8.2016)