Getreidegasse in Salzburg – überfüllt wie so oft.

Foto: APA/Neumayer

STANDARD: Städtetourismus boomt auch in Österreich. In Barcelona finden sich schon Sprüche wie 'Tourist, go home' an Hauswänden. Wann hat eine Stadt genug?

Preveden: Eine gute Frage, die sich die wenigsten Tourismusverantwortlichen stellen. Dabei wird sie immer brisanter. Denn alles hat eine Kapazität, auch eine Stadt. Bei den Verantwortlichen geht es aber oft nur um Wachstum und um neue Rekorde.

STANDARD: Gibt es eine Formel?

Preveden: Erfolg im Tourismus wird immer nur an Nächtigungen gemessen. Wir haben ein Barometer mit anderen Faktoren erstellt und 45 Städte – ganz große, mittlere und kleine – unter diesen Aspekten angesehen. Eine Kennzahl ist die Tourismusdichte, also Nächtigungen je Einwohner in einer Stadt, die andere der Umsatz pro verfügbares Zimmer.

STANDARD: Wie kommt Wien unter diesen Gesichtspunkten weg?

Preveden: Wien spielt bei den ganz Großen mit. Diese kommen auf durchschnittlich 7,9 Nächtigungen pro Einwohner, auf ein Jahr verteilt. Wien liegt mit 7,4 unter dem Durchschnitt. Ganz anders als Salzburg, das zu den touristisch am dichtesten besuchten Städten Europas gehört. Die mittelgroßen Tourismusstädte haben eine Durchschnittsdichte von 6,0. Salzburg kommt auf 15,5. Das konzentriert sich besonders auf die Festspielzeit und da auf die Getreidegasse und Plätze drum herum. Salzburg hat ein Problem.

STANDARD: Wie fühlt sich Wien an?

Preveden: Es gibt einen harmonischen Mix. Wenn Sie durch die Innenstadt gehen, sehen Sie viele Einwohner, Businessleute und Touristen. Schön durchmischt. Man steigt sich nicht gegenseitig auf die Füße. Es gibt Leben und Geschäfte, wie es sein sollte. Von den großen Städten hat Paris die höchste Dichte mit 16. Paris und Salzburg liegen also fast gleichauf. Rein von dieser Kennzahl betrachtet, kann Wien ruhig noch überdurchschnittlich wachsen.

STANDARD: Wie schafft man es, nicht überlaufen zu werden?

Preveden: In Wien befinden sich die Attraktionen vom Umland über die Außen- bis zu den Innenbezirken. Prag gehört auch zu den großen Tourismusstädten mit einer Dichte von 11,9 und ist ein Negativbeispiel. Der Tourismus fokussiert sich zum Großteil auf die Burg und den Weg zur Karlsbrücke und zur Innenstadt. Jeder Tourist durchläuft sie. Es ist Masse pur. Nicht nur die Touristen fühlen sich nicht mehr wohl. Die Einheimischen ziehen weg. Man kennt das von Venedig, wo die Einwohnerzahl dramatisch sank und noch sinkt, wie jetzt in Dubrovnik oder Barcelona in der Innenstadt. Es kommt zum Disneyland-Effekt.

STANDARD: Was kann man tun?

Preveden: Die Bürgermeisterin von Barcelona hat etwa in der Innenstadt einen Stopp von Hotelneubauten verhängt. Prag versucht, Attraktionen in weniger entwickelten Stadtteilen zu entwickeln. Die Stadtentwickler sind gefragt, den Tourismus auch zu diversifizieren. All das wurde in Wien schon systematisch und nach Plan gut gemacht.

STANDARD: Wie zahlungskräftig ist das Publikum, das Wien besucht?

Preveden: Wien ist eine günstige Destination. Der Umsatz pro verfügbares Zimmer liegt bei 91 Euro. Für die großen Tourismusstädte in Europa ist der Schnitt 121 Euro. Paris hat mit 267 den allerhöchsten in Europa. Salzburg liegt in seiner Gruppe besser und kommt auf 89 Euro. Der Durchschnitt liegt hier bei 81 Euro. Zürich ist aber mit 192 weit darüber, Kopenhagen kommt auf 119.

STANDARD: Sollten die Geschäfte am Sonntag öffnen?

Preveden: Ich sehe das nicht als Schlüssel. Das ist bei uns traditionell verwurzelt und gehört dazu. Eine einheitliche Taxiqualität und -Aussehen halte ich für wesentlich wichtiger. Man sollte mehr in das Premiumsegment gehen. Generell sind in Wien die Zimmerpreise viel zu niedrig. Preise haben viel mit Selbstbewusstsein und ein bisschen mit Tradition zu tun. Jeder, der nach Paris oder London fährt, sagt sich, das ist halt teuer. Man zahlt viel für Essen, Ticket, Unterkunft. Das ist im Mindset der Touristen akzeptiert. (rebu, 20.8.2016)