Die Zerstörung der jahrhundertealten Heiligengräber in Timbuktu zeichneten islamistische Milizen 2012 auf Video auf.

Foto: AFP

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters / Joe Penney

Der Angeklagte Ahmed al-Faqi al-Mahdi.

Foto: APA / AFP / ANP / Robin Van Lonkhuijse

Den Haag / Bamako / Wien – Der Krieg, der seit 2012 im Norden Malis tobte, gilt als weitgehend unaufgearbeitet. Etwa ist nicht bekannt, wie viele Menschen den Kämpfen zwischen islamistischen Gruppen, Tuareg, malischer Regierung und internationalen Einheiten genau zum Opfer gefallen sind. Auch die Zahl der zeitweilig und noch immer Vertriebenen ist vage, sie dürfte aber bei mehr als 350.000 liegen (siehe unten). Bekannt ist, dass es viele Übergriffe auf Zivilisten gegeben hat – nicht nur, aber vor allem die radikalen Islamisten verübten Vergewaltigungen, Morde, Zwangsverheiratungen.

Doch der erste Prozess, den der Internationale Strafgerichtshof ICC anstrengt, gilt nicht ihnen. Stattdessen muss sich der Angeklagte Ahmed al-Faqi al-Mahdi im heute, Montag, startenden Hauptverfahren wegen der Zerstörung von Kulturgütern verteidigen, die von der Unesco zum Weltkulturerbe gezählt werden. Der heute rund 40-Jährige soll im Sommer 2012 die Zerstörung von islamischen Heiligengräbern in der Oasenstadt Timbuktu angeleitet haben. Die Beweisführung dürfte nicht schwerfallen. Die Islamistenmiliz Ansar Dine – eine Tuareg-Gruppe mit Verbindungen zur Al-Kaida – hatte die Tat damals auf Video aufgezeichnet.

Mit der Hacke auf das Grab

In den Clips ist tatsächlich der frühere Ausbilder al-Mahdi zu sehen. Er gibt Anweisungen, während andere mit Hacken und Schaufeln auf die Heiligtümer einschlagen. Ansar Dine waren die Mausoleen – von Einheimischen jahrhundertelang gehütet – ein Dorn im Auge, weil die Gruppe in ihrer Verehrung einen Verstoß gegen den strengen Monotheismus sah. Al-Mahdi hat schon in einem Vorverfahren zu erkennen gegeben, dass er sich schuldig bekennen werde.

An den aufsehenerregenden Brandstiftungen in der historischen Bibliothek von Timbuktu soll al-Mahdi nicht beteiligt gewesen sein. Auch dieses Verbrechen, das Islamisten kurz vor ihrer Vertreibung durch internationale Truppen 2013 begingen, will der ICC aber streng verfolgen. Das Gericht sieht die Verfahren – die ersten ihrer Art – als Warnung gegen andere Gruppen, die sich an der Geschichte vergehen – als Signal etwa an Mitglieder des "Islamischen Staates" (IS), dessen Kämpfer in Syrien und im Irak römische Altertümer (etwa Palmyra) und heilige Stätten anderer Religionen und Konfessionen zerstören.

Ob sich diese von der drohenden Gefahr einer Strafverfolgung in Den Haag beeindrucken lassen, ist freilich unklar – und die vorrangige Behandlung der Verbrechen an Steinen gegenüber jenen an Menschen daher Gegenstand von Kritik. Die ICC-Chefanklägerin Fatou Bensouda argumentiert, es gehe keineswegs nur "um Mauern und Steine", sondern um "kaltschnäuzige Attacken auf die Würde und die Identität ganzer Bevölkerungsgruppen und deren religiöse und kulturelle Geschichte". Bekannt ist auch, dass besonders Unesco-Chefin Irina Bokowa immer wieder auf schnelle Verfahren in der öffentlichkeitswirksamen Angelegenheit gedrängt hatte. Sie befindet sich derzeit im Wahlkampf um den Posten der UN-Generalsekretärin.

Prekäre Lage

Inzwischen sind einige Gräber mit internationalen Geldern wiederaufgebaut worden. Die Sicherheitslage in der Region bleibt über drei Jahre nach dem französisch-afrikanischen Einsatz gegen den damaligen Islamistenstaat Nordmali aber äußerst prekär.

Die UN-Truppe Minusma, die aus dem Einsatz hervorging, ist mit mehr als 11.000 Soldaten und 1500 Polizisten noch immer der drittgrößte UN-Blauhelmeinsatz der Welt. Zusätzlich sind mehr als 500 Polizisten – darunter acht aus Österreich – auf Ausbildungsmission in Bamako.

Trotzdem gibt es im Norden immer wieder Kämpfe. Der Friedensvertrag mit verschiedenen Tuareg-Gruppen ist brüchig, die Gefahr einer weiteren Rebellion nicht gebannt. Scheitern wäre fatal: Die Rebellion der Tuareg 2012 hatte jene Ereigniskette in Bewegung gesetzt, die mit der Ausrufung eines von Islamisten kontrollieren Gebietes endete.

Zugleich haben Terrorgruppen ihren Aktionsradius in den Süden erweitert. Anschläge in der Hauptstadt Bamako – und in Malis Nachbarstaaten – häuften sich zuletzt.

Und auch mit Malis demokratisch gewählter Regierung wächst die Unzufriedenheit. Wie überall in der Region sind vor allem die Jungen mit Stillstand und Korruption unzufrieden. Vergangene Woche gab es Großproteste, nachdem die Polizei vorübergehend einen Radiomoderator verhaftet hatte, der für beißende Kritik an Präsident Ibrahim Boubacar Keita bekannt ist. (Manuel Escher, 22.8.2016)