Badra Mint Mohammed lebt seit gut vier Jahren mit ihrem Mann und ihren sechs Kindern im Flüchtlingscamp.

Foto: Gänsler

12.000 Menschen bewohnen das das zwölf Kilometer südlich der Provinzhauptstadt Djibo gelegene Lager im Nordwesten von Burkina Faso.

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"Reis habe ich heute gegessen. Und Milch gab es auch", sagt Badra Mint Mohammed. Die 46-Jährige sitzt mit drei weiteren Frauen in ihrem großen Zelt, das sie im Flüchtlingscamp Mentao im Nordwesten von Burkina Faso aufgeschlagen hat. Seit gut vier Jahren schon muss es als Zuhause für sie, ihren Mann und die sechs Kinder herhalten. Wie lange das noch der Fall sein wird, weiß sie nicht. Der Norden ihres Heimatlandes Mali gilt durch zahlreiche Angriffe von Terroristen, Islamisten und Banditengruppen weiterhin als viel zu unsicher für eine Rückkehr.

Camp mit 12.000 Bewohnern

Mentao ist das größte Camp in Burkina Faso, das zwölf Kilometer südlich der Provinzhauptstadt Djibo bis heute mehr als 12.000 Menschen beherbergt. Im ganzen Land sind es gut 32.000 malische Flüchtlinge. Wie groß anfangs die Hilfsbereitschaft war, daran erinnern am Eingang von Mentao zahlreiche Schilder von Hilfsorganisationen. Kurz nachdem im Frühjahr 2012 die ersten Menschen angekommen waren – damals war es in Mali zu einer Tuareg-Rebellion, einem Staatsstreich und der Besetzung des Nordens durch islamistische Gruppierungen gekommen -, nahmen auch sie zügig ihre Arbeit auf.

Mittlerweile muss Badra Mint Mohammed die wenigen Lebensmittel gut einteilen, die sie für die Familie noch bekommt. "Für heute Abend reicht es zum Glück noch. Und auch morgen kann ich etwas kochen." Doch wie es danach weitergeht, weiß sie noch nicht. "Alle haben uns den Rücken zugedreht", schaltet sich ihr Mann Ali Kassoum in das Gespräch ein.

Kaum internationales Interesse

Eine vergessene Krise, so bezeichnet Gogo Hukportie, Repräsentantin des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), die Lage im Norden von Burkina Faso. In Mentao selbst wird gemunkelt, dass künftig nur noch die ärmsten Familien versorgt werden können. Dabei ist Burkina Faso noch nicht einmal am stärksten betroffen. Im Nachbarland Niger, Schlusslicht im UN-Entwicklungsindex 2015, leben noch einmal doppelt so viele Flüchtlinge. Doch auf internationales Interesse scheint das kaum noch zu stoßen.

Im Gegenteil: In der Region Soum, in der Mentao liegt, sowie den Nachbarprovinzen wird Hilfe immer schwieriger. Wie der Norden von Mali auch ist die Region längst zur roten Zone geworden. "Die Unsicherheit nimmt zu", erklärt ein ehemaliger Militär, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Australisches Paar entführt

Überfälle durch Terrormilizen oder bewaffnete Banditen, die nur 50 Kilometer entfernt auf malischem Gebiet Alltag geworden sind, kommen zwar noch nicht regelmäßig vor. Mitte Jänner wurde allerdings ein australisches Ehepaar, das jahrzehntelang in Djibo gelebt hatte, entführt.

Das Terrornetzwerk Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQMI) ließ die Frau wenig später wieder frei. Doch von ihrem Mann, der als Arzt ein Spital für 120 Patienten aufgebaut hatte, fehlt bis heute jede Spur. Es geschah an jenem Abend, an dem fast zeitgleich in der knapp 200 Kilometer entfernt liegenden Hauptstadt Ouagadougou 30 Menschen bei einem Terroranschlag auf ein Hotel und das beliebte Café Cappuccino starben.

Bremse für die Wirtschaft

Die Angst, dass sich nun rund um Djibo weitere Vorfälle ereignen können, ist groß. Offiziell heißt es zwar, dass die Grenze zu Mali gut gesichert sei. "Doch für die Bevölkerung gibt es keine Grenze", sagt der Militär. Das heißt: Wer sich auskennt, kann sie ohne Probleme überqueren. Die unsichere Lage, glaubt er, bremst außerdem die wirtschaftliche Entwicklung. "Ohne Gesundheit und Sicherheit kann sich nichts entwickeln", sagt er.

Händler auf dem zentral gelegenen Markt in Djibo bestätigen das. Egal, was sie verkaufen: Es läuft schleppend. "Heute war noch kein einziger Kunde bei mir", erklärt ein Stoffverkäufer und zeigt auf seine Auslagen. Allenfalls der Viehmarkt, der in der ganzen Region bekannt ist, läuft gut.

Kredit zum Überleben aufnehmen

Eine Arbeit zu finden ist für Badra Mint Mohammed und ihren Mann deshalb unmöglich. Ab und zu gelingt es Flüchtlingen, offiziell arbeiten zu dürfen. "Trotzdem muss das Familienoberhaupt oft einen Kredit aufnehmen, um zu überleben", sagt sie und schaut auf den schlammigen Platz vor ihrem Zelt. Die starken Regengüsse haben alles aufgeweicht. Doch es ist nicht nur die wirtschaftliche Lage, die sie quält. Sie hat Heimweh. Die vier Jahre in Mentao haben sie müde gemacht: "Wenn ich mir eines wünschen darf, dann ist es Frieden in meiner Heimat. Ich will unbedingt zurück." (Katrin Gänsler aus Mentao, 22.8.2016)