Aus dem Büro von TU-Rektorin Sabine Seidler heißt es, Zugangsbeschränkungen seien eine Maßnahme, um Qualität weiter zu gewährleisten.

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Wien – Die von der Technischen Universität (TU) angekündigte Kürzung der Studienplatzanzahl im Fach Informatik sorgt für einen gewaltigen Aufschrei: In Zeiten der Digitalisierung und Automatisierung brauche es nicht weniger, sondern mehr IT-Experten.

Besonders die Wirtschaftskammer, ansonsten keine Gegnerin von Zugangsbeschränkungen, kritisiert die Reduzierung der Plätze. "Das ist eindeutig das falsche Signal. Damit würgt man den IT-Motor ab", heißt es in einem Positionspapier des Fachverbands Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (Ubit). "Der Bedarf an Fachkräften steigt stetig", sagte Alfred Harl, Obmann des Fachverbands dem STANDARD. Eine Umfrage des Fachverbands unter IT-Unternehmen habe ergeben, dass 3000 IT-Kräfte benötigt würden.

Martin Puaschitz, Obmann der Wiener Gruppe der Ubit, sagt: "Die Branche wächst seit zwanzig Jahren jedes Jahr, und ein Ende ist nicht abzusehen."

Während im Vorjahr 1125 Personen ein Informatikstudium an der TU starteten, sinkt die Zahl der Studienanfänger heuer auf 581. Aus dem Büro von Rektorin Sabine Seidler heißt es zur Entscheidung, die TU wolle ihren Studierenden hohe Qualität bieten, wofür gute Betreuungsverhältnisse wesentlich seien. "Bei begrenzten finanziellen Mitteln ist der Reihungstest eine Variante, den Zugang zu regeln."

"Lokales Problem"

Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sieht in den neuen Zugangsbeschränkungen ein "lokales Problem". Österreichweit gebe es an anderen Unis noch genügend Studienplätze.

Bisher machen von der 2013 eingeführten Möglichkeit zur Studienplatzbeschränkung in Informatik nur die Uni Innsbruck und mit kommendem Studienjahr die TU und die Uni Wien Gebrauch. An der TU haben sich heuer 749 Personen für einen der 581 Plätze beworben, an der Uni Wien rund 400 für 360 Plätze.

Gegen Beschränkungen in Informatik haben sich die Universitäten Salzburg, Klagenfurt, Linz sowie die TU Graz entschieden.

Die Wirtschaftskammer fürchtet, dass die Tests in Wien mittelfristig dazu führen, dass auch die TU Graz ein Aufnahmeverfahren einführt. "Die Beschränkung an der TU Wien ist zwar eine lokale Lösung für das Kapazitätsproblem, löst aber nicht das Gesamtproblem: zu wenig Absolventen", heißt es im Positionspapier. "Ich bin nicht gegen Zugangsbeschränkungen, aber wir brauchen eine Gesamtstrategie", sagt Harl.

Hochqualifizierte Informatiker gesucht

Wissenschaftsminister Mitterlehner verweist auf Studienplätze an Fachhochschulen, die im Bereich Informatik ausgebaut werden sollen. Harl erwartet sich von Mitterlehner, dass er offenlegt, wo und welche Plätze ausgebaut werden sollen. Die Wirtschaft brauche vor allem hochqualifizierte Informatiker, die zumindest einen Masterabschluss vorweisen können, und es sei fraglich, ob die FHs das liefern können.

Die FH Technikum in Wien bietet einen Bachelorstudiengang in Informatik an. Derzeit bewerben sich viermal mehr Interessenten, als Plätze vorhanden sind. "Wir denken, dass sich durch die Einführung der Zugangsbeschränkungen an der TU Wien diese Zahlen noch erhöhen könnten", sagt der stellvertretende Studiengangsleiter Alexander Hofmann.

Dass FHs oder andere Unis kein Ersatz für die gestrichenen TU-Studienplätze sein können, betont Puaschitz: "Glücklicherweise gibt es noch einen Plan B. Aber deswegen sollte man nicht den Plan A fallenlassen und Studienplätze beschränken. Je mehr Informatiker ausgebildet werden, desto besser." Absolventen bekämen ohne Probleme einen Job. "Es ist also zu hinterfragen, ob man die Studienplätze in diesen Fächern, egal ob an der Uni oder an der FH, nicht überhaupt erweitern sollte."

In ihrem Positionspapier schlägt die Wirtschaftskammer zudem einen eigenen Minister für IT-Angelegenheiten vor. "Derzeit fühlt sich niemand zuständig", sagt Harl.

Einheitliche Regelungen

Die Junge Industrie fordert eine "sinnvolle, kohärente Strategie der Studienplatzfinanzierung für Österreich" und ähnliche Aufnahmeregelungen für alle Unis. Denn aktuell "herrscht da Wildwuchs". Außerdem müssten Studierende flexibler bei der Wahl des Studienortes werden. "Es scheint einen gewissen Prozentsatz zu geben, der zuerst den Ort seines Studiums wählt, dann das Fach. Etwas flapsiger ausgedrückt: Wien ist halt die bessere Partylocation." (Lisa Breit, Lisa Kogelnik, 22.8.2016)