Wer ist besonders für einen Burnout gefährdet? – Diese Frage stellten sich Psychologen der Medizinischen Privatuniversität Nürnberg.

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Nürnberg – Viel zu viel Arbeit, Stress, wenig Freizeit, geringe Wertschätzung der Leistung sind häufige Gründe, die für das Ausbrennen verantwortlich gemacht werden. Nun haben Psychologen von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Medizinischen Privatuniversität Nürnberg einen weiteren Aspekt identifiziert. Demnach weisen Menschen, die in ihrer Kindheit keine sichere Bindung erlebt oder Verluste erlitten und nicht verarbeitet haben, ein deutlich erhöhtes Burnout-Risiko auf.

Für ihre Studie, die in Zusammenarbeit mit Entwicklungsgpsychologen der Universität Erlangen entstand, untersuchten die Wissenschaftler 50 Patienten, die wegen eines Burnout-Syndroms stationär oder teilstationär in Behandlung waren.

In Interviews wurden die Bindungserfahrungen, das erlebte Arbeitsumfeld, der berufliche Ehrgeiz, die selbst wahrgenommene Berufskompetenz, die Zufriedenheit am Arbeitsplatz und das soziale und familiäre Umfeld der Probanden abgefragt. Das Ergebnis: "Burnout-Patienten weisen eine deutlich höhere Bindungsunsicherheit auf als Probanden der gesunden Vergleichsgruppe", erklärt Wolfgang Söllner, Erstautor der Studie.

Negative Emotionen aus der Kindheit

Konkret: In der Burnout-Gruppe konnten 72 Prozent der Teilnehmer als "unsicher gebunden" eingestuft werden. In der Vergleichsgruppe waren es 33 Prozent. Zu den problematischen Bindungsmustern zählen die Forscher das "unsicher-vermeidende" und das "unsicher-verwickelte" Muster. Das heißt, Betroffene haben nur wenig Zugang zu ihren Kindheitserinnerungen, Bezugspersonen werden entweder idealisiert oder verachtet und negative Emotionen eher verdrängt. Als "unsicher-verwickelt" definieren die Wissenschaftler Kindheitserinnerungen, die noch immer sehr starke Gefühle hervorrufen. Vor allem negative Emotionen lösen hier auch noch im Erwachsenenalter starke Ängste aus.

Problematische Arbeitsbeziehungen

Solche problematischen Bindungs- und Emotionsmuster setzen sich bis ins Erwachsenenalter fort, betonen die Nürnberger Psychologen. So versucht ein Teil der Betroffenen, ihre nicht erfüllten Bedürfnisse aus der Kindheit in aktuellen Beziehungen auszuleben. Dazu zählen den Forschern zufolge auch Arbeitsbeziehungen, die dadurch emotional aufgeladen werden.

Ebenso wie die Bindungsunsicherheit waren auch unverarbeitete traumatische Bindungserfahrungen und nicht bewältigte Verluste mit einer geringeren Fähigkeit zur Emotionsregulation verknüpft. Früheren Studien zufolge macht sich das vor allem in Anforderungs- oder Konfliktsituationen bemerkbar. Die Schwierigkeiten bei der Bewältigung negativer Emotionen begünstigen dann vermutlich die Entstehung eines Burnouts, schlussfolgern die Wissenschafter. Der Rat der Forscher: Bei der therapeutischen Arbeit mit Burnout-Patienten sollten auch Beziehungsmuster und Emotionsverarbeitung berücksichtigt werden. (red, 25.8.2016)