Sebastian Kurz lässt Reinhold Mitterlehner kaum noch zu Wort kommen.

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Sebastian Kurz ist ein höchst populärer und meist erfolgreicher Außenminister. Als Integrationsminister besetzt er ein Schlüsselthema der heutigen Politik. Aber für Wirtschaftspolitik sind in seiner Partei andere zuständig – Finanzminister Hans Jörg Schelling und allen voran Parteichef Reinhold Mitterlehner, der Wirtschaftsminister.

Umso überraschender kommt es, dass Kurz Ende August am Rande der Wirtschaftsgespräche beim Forum Alpbach eine Initiative "Welt.Wirtschaft.Österreich: Erfolgsideen für unser Land" präsentiert, bei der es um Wettbewerbsfähigkeit und Standortpolitik geht. Laut Ministerbüro handelt es sich um eine Podiumsdiskussion, nicht um einen Vortrag.

Rechtfertigt wird dieser Ausflug in fremde Gebiete, für den es bereits ein eigenes Logo gibt, mit dem Bestreben, von anderen Staaten zu lernen. Klar, das kann nur ein Außenminister.

Mitterlehners Kerngebiet

Unabhängig vom genauen Inhalt ist das Vorhaben eine Brüskierung des VP-Parteichefs. Mit seinen gerade 30 Jahren hat Kurz schon weitgehend die Themenführerschaft in seiner Partei an sich gerissen und dehnt diese nun auf Mitterlehners Kerngebiet aus.

Mitterlehner trägt Mitschuld an dieser Situation. Er setzt wenig Akzente in der Tagespolitik. Wenn er spricht, vor allem über Wissenschaft und Forschung, dann klingt er meist lustlos, gereizt und hölzern. Der Generations- und Machtwechsel scheint in der Partei voll im Gang zu sein.

Kurz fehlen die Experten

Nun kann man zur Verteidigung von Kurz sagen, dass es nicht schaden kann, wenn ein kluger Kopf wie Kurz auch wirtschaftspolitische Anstöße gibt. Schließlich gibt es kaum ein wichtigeres Thema für die Zukunft der Republik.

Aber für konstruktive, umsetzbare Vorschläge fehlt es dem Außenminister an Wissen und Erfahrung. Vor allem verfügt er nicht über die Experten, um ökonomische Sachpolitik zu betreiben – außer er hat im Geheimen schon ein Wirtschaftskabinett um sich geschart.

Kampfansage auch an Kern

Es ist daher zu erwarten, dass sich Kurz auf allgemeine Aussagen und politische Platituden beschränkt. Sein impliziter Angriff auf Mitterlehner ist letztlich auch eine Kampfansage an Bundeskanzler Christian Kern, mit dem der Vizekanzler im Herbst ein breites Reformprogramm ausarbeiten will.

Mag sein, dass Kurz das verhindern will. Dann aber ist es nicht nur um Mitterlehners Obmannschaft schlecht bestellt, sondern auch um die rot-schwarze Koalition. Führungswechsel in der ÖVP, Wechsel des Koalitionspartners, Neuwahlen – all das, was bis vor kurzem noch unwahrscheinlich schien, nimmt zunehmend an Gestalt an.

Eine Rede über Erfolgsideen für das Land mag harmlos klingen, aber sie weist hin auf einen heißen Herbst. (Eric Frey, 24.8.2016)