Havanna/Sapporo – Er sieht aus wie eine enorme Spitzmaus mit zotteligem Fell und besonders langer Schnauze: Der Schlitzrüssler Kubas erreicht – den Schwanz miteingerechnet – eine Länge von über einem halben Meter. Als Insektenfresser (Eulipotyphla) ist er mit Spitzmäusen, ebenso wie mit Maulwürfen und Igeln, auch tatsächlich verwandt.
Die Riesen unter den Kleinen
Das kubanische Inselhabitat hat verschiedene Tiere zu Gigantismus getrieben: So lebte hier noch bis vor etwa 12.000 Jahren die größte Eule aller Zeiten. Die langbeinige Ornimegalonyx wurde über einen Meter hoch, konnte wahrscheinlich kaum noch fliegen und ernährte sich von Nagetieren, die ihrerseits größer wurden als ihre Verwandtschaft auf dem Festland.
Die mächtigsten Nagetiere hätten aber selbst die Rieseneule überfordert: Amblyrhiza inundata etwa, eine Verwandte der Baumratten, konnte bis zu 200 Kilogramm schwer werden. Mit neun Kilo und einem halben Meter Länge sind die Baumratten, die heute auf Kuba leben, aber immer noch eine stattliche Erscheinung. Zudem war die Insel bis vor ein paar tausend Jahren von bodenbewohnenden Faultieren besiedelt, die teilweise so groß wie Menschen wurden.
Unter den Insektenfressern wiederum ist der Kubanische Schlitzrüssler (Solenodon cubanus) ein Riese. Neben dem Großen Rattenigel Südostasiens, einem Igel ohne Stacheln, ist er der größte Insektenfresser der Welt. Wann und wie er und sein einziger unmittelbarer Verwandter, der Dominikanische Schlitzrüssler (Solenodon paradoxus) der Insel Hispaniola, in ihre heutigen Lebensräume kamen, war bislang umstritten. Ein internationales Forscherteam unter Leitung der Universität Hokkaido präsentierte nun seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift "Scientific Reports".
Landbrücken ...
Da Insektenfresser eine sehr altertümliche Säugetierordnung sind, lautete eine These, dass es die Gattung der Schlitzrüssler schon im Zeitalter der großen Dinosaurier gegeben haben könnte, als die heutigen Inseln noch am Festland hingen. Dem erteilten die Forscher um Jun J. Sato nun eine Absage: Die Gattung sei erst vor 59 Millionen Jahren aus den gemeinsamen Vorfahren mit anderen Insektenfressern hervorgegangen. Diese Erkenntnisse fußen auf den DNA-Analysen von sieben Schlitzrüsslern, die 2012 eingefangen worden waren, und dem Vergleich mit 35 anderen Insektenfresserspezies.
Die schwer aufzustöbernden Tiere wurden anschließend übrigens wieder freigelassen. Beide Schlitzrüsslerarten gelten als stark gefährdet. Nicht nur die zunehmende Einschränkung ihres Lebensraums setzt ihnen zu. Vor allem die Nachstellung durch vom Menschen eingeschleppte Raubtiere wie Hunde, Katzen und Mungos ist eine Bedrohung, der die nicht an natürliche Feinde gewöhnten Tiere nichts entgegenzusetzen haben.
... oder Flöße
Weiters ergaben die Analysen, dass sich die Schlitzrüssler Kubas und Hispaniolas erst vor relativ kurzer Zeit voneinander getrennt haben, nämlich vor etwa 4,8 bis 3,7 Millionen Jahren. Mit Blick auf die Entwicklung von Landmassen und Landbrücken in der Karibik und die dortigen Meeresströmungen gehen die Forscher daher davon aus, dass die Ahnen der heutigen Schlitzrüssler übers Wasser angereist kamen, vermutlich auf "Flößen" aus treibendem Pflanzenmaterial. Auf die gleiche Art sollen einst Affen von Afrika nach Südamerika gelangt sein – eine wesentlich größere Entfernung. (jdo, 26. 8. 2016)