In Schanghai vertreten: österreichische Mode, interpretiert von Fotograf Peter Garmusch.

Foto: Peter Garmusch

Claudia Rosa Lukas lebt als Modedesignerin und Kuratorin in Wien und London.

Foto: privat

STANDARD: Sie haben in Schanghai eine Ausstellung über die österreichische Modeszene gestaltet. Wie würden Sie den Zustand der österreichischen Mode in drei Sätzen beschreiben?

Claudia Rosa Lukas: Die Szene wird immer größer. Es entstehen mehr Labels, immer neue Shops, mehr Leute gehen ins Ausland, Designer nehmen an internationalen Wettbewerben teil, die Medien zeigen größeres Interesse. Seit etwa 1997 hat sich richtig viel getan.

STANDARD: Was war 1997?

Lukas: Das war das Jahr, in dem das Wiener Label Wendy & Jim erstmals auf der Pariser Fashion Week eine eigene Modeschau gemacht hat. 2000 ging dann die Modeförderung los, da kam es zu einem richtigen Hype. Zwischendurch hat es eine Abkühlung gegeben, in den vergangenen Jahren zog die Szene wieder an.

STANDARD: In der Öffentlichkeit scheint das nicht angekommen zu sein. Heimische Mode hat hierzulande kaum Sichtbarkeit. Warum ist das so?

Lukas: Die Szene wurde zwar gepusht, von allein läuft es aber nicht. Es bräuchte mehr mediale Präsenz, in den Köpfen der Leute ist heimische Mode kaum Thema.

STANDARD: Das ist wenig verwunderlich. Kaum eines der österreichischen Labels hat es geschafft, eine gewisse wirtschaftliche Relevanz zu erreichen.

Lukas: Leider ist das so. Auf der anderen Seite eröffnen immer mehr Designer eigene Shops. Man schafft sich seine eigene Nische, baut sich einen Kundenkreis auf, das funktioniert gut. Ein Problem besteht darin, dass Boutiquen kaum heimische Designer ins Sortiment nehmen. Ausnahmen sind Shops wie Park oder Nachbarin in Wien.

STANDARD: Lange wollten heimische Labels vor allem international reüssieren. Gibt es mittlerweile eine Trendwende hin zu kleinen, regionalen Strukturen?

Lukas: Das lässt sich nicht für alle Labels behaupten. Dafür ist die Szene zu vielfältig. Manche haben in Österreich ihre Ateliers, verkaufen aber in den USA oder Japan. Die Lebensqualität hier ist gut, die Mieten überschaubar, warum also wegziehen? Viele haben hier auch Privatkunden und sind gar nicht auf Shopstrukturen angewiesen.

STANDARD: Sie haben bereits vier Ausstellungen über österreichische Mode in London kuratiert, jetzt erstmals eine in Schanghai. Was ist das Besondere an österreichischer Mode, das auch in England oder China interessiert?

Lukas: In beiden Fällen wurden wir eingeladen. In London durch das Fashion Council im Rahmen der damaligen Olympiade, in Schanghai vom neu errichteten Liu Haisu Art Museum, das an das Bundeskanzleramt herangetreten ist. Die Medienpräsenz in London war überwältigend, und das nutzt natürlich der heimischen Szene. International hat sie ja kaum ein Gesicht. Was die Leute am meisten wundert, ist, welche tollen Ausbildungsmöglichkeiten, vor allem in handwerklicher Sicht, wir hierzulande haben – und dass diese umsonst sind. Man kann hier bei jemanden wie Raf Simons oder Hussein Chalayan studieren, und das gratis. Das glaubt einem im Ausland ja niemand!

STANDARD: Hierzulande wird das als Selbstverständlichkeit angenommen.

Lukas: Ja, was ich allerdings in Österreich vermisse, ist der Wettbewerb an den Hochschulen. Bei uns herrscht eine große Gemütlichkeit, das entspricht nicht dem, wie der Markt funktioniert. Nur durch Wettbewerb kommen die Designer voran, werden sie besser.

STANDARD: Abseits der Ausbildungsmöglichkeiten, was zeichnet Mode aus Österreich aus?

Lukas: Bei britischer oder italienischer Mode hat jeder sofort ein Bild, das ist bei österreichischer Mode nicht so. Insofern ist diese Frage schwierig zu beantworten.

STANDARD: Lange stachen heimische Designer durch ihre experimentellen Ansätze hervor.

Lukas: Das stimmt für die Zeit um 2000, man denke nur an die Labels Fabrics Interseason oder Wendy & Jim. Da ging es weniger um den Verkauf als um Images, um die Performance, um die Theorie dahinter. Das kam gut an, vor allem bei japanischen Einkäufern. Der Wind hat sich aber gedreht, in dem Moment, als es am Markt stärker um den Verkauf, um Qualität und um die Verarbeitung ging, ließ die Aufmerksamkeit nach. Heute gibt es hierzulande nur noch wenige Labels, die dezidiert experimentell arbeiten. Der Fokus liegt jetzt eindeutig auf dem Verkauf.

STANDARD: Hat sich ein größerer Pragmatismus breitgemacht?

Lukas: Auf jeden Fall. Das hängt auch mit den Wirtschaftsförderungen zusammen, durch Departure (die Kreativförderung der Stadt Wien, Anm.) musste man professioneller werden. Aber zurück zum Experiment: Es ist wichtig, dass bei einer Kollektion etwa zehn Prozent Showpieces enthalten sind, also Stücke, die hervorstechen, sich auf Fotos gut machen. Da muss man dann auch sehr experimentell sein.

STANDARD: Seitdem es die MQ Vienna Fashion Week gibt, haben heimische Designer auch eine lokale Präsentationsmöglichkeit. Was hat sich dadurch verändert?

Lukas: Für die lokale Szene ist das eine wichtige Sache. Man hat die Möglichkeit, seine Kunden einzuladen, im eigenen Geschäft eine After-Show-Party zu machen und dort auch zu verkaufen. Selbst eine Show zu organisieren ist in Wien nicht einfach. Für Designer, die international präsentieren, ist die Fashion Week dagegen weniger interessant. Sie müssen dort zeigen, wo ihre Einkäufer sind. Und die sind leider nicht in Wien. (Stephan Hilpold, RONDO, 14.12.2016)