Alles redet über Hass im Netz. Wir werfen einen Blick auf das Phänomen Hass in und außerhalb des Internets – mit Videos, Grafiken, Texten und Diskussionsformaten. Eine Woche lang auf derStandard.at.

Foto: miso duzek / thenounproject

Ein Teil der Flüchtlingsdebatte ist vom Stammtisch auf Facebook abgewandert. Der Ton ist oft rau: Fremdenfeindliche Äußerungen gegenüber Asylsuchenden gehören zur Regel. Manche Postings rufen hasserfüllt zur Gewalt auf. Aber was waren die emotionsgeladensten und intensivsten Diskussionen zur Flüchtlingsdebatte im ersten Halbjahr?

Für den STANDARD hat das auf die Analyse von Social-Media-Daten spezialisierte Innsbrucker Start-up Visalyze die Flüchtlingsdebatte vermessen. 40 Millionen Seiten hat das Unternehmen in seine Auswertung miteinbezogen. Anhand jener zehn Facebook-Seiten, auf denen die Diskussion am intensivsten ist – gemessen an Beiträgen, Shares, Likes, Kommentaren – haben die Datenexperten das Volumen und das Sentiment – also die emotionale Komponente – der Meinungsgefechte untersucht. In den ersten sechs Monaten hat es nur zum Suchbegriff "Flüchtlinge" 3,2 Millionen Interaktionen gegeben. Das Aktivitätsniveau ist kontant hoch, bei fünf Ereignissen verzeichnet das Analysetool von Visalyze Ausreißer.

In Österreich wird das Thema am meisten auf den Seiten von Heinz-Christian Strache und der ORF-Nachrichtensendung Zeit im Bild diskutiert.

Hier die fünf Ereignisse, die im Jahr 2016 die meisten Debatten auf Facebook nach sich zogen.

1. Sexuelle Übergriffe in Köln in der Silvesternacht

Fast 1.200 Anzeigen, knapp 650 Opfer, davon 497 wegen sexueller Übergriffe, bisher vier Verurteilungen (Stand: Mitte Juli) – das ist die Bilanz jener Nacht, die zur Projektionsfläche für die Kehrtwende zur Willkommenskultur auslöste. Die meisten mutmaßlichen Täter kommen aus Marokko, Algerien und dem Irak. Der Großteil sind Asylsuchende. Das ist der Zündstoff, der seither politische Debatten befeuert hat und die Emotionen auf Facebook hochkochen hat lassen.

Zu den am meisten diskutierten Postings zählen jene Tagesschau, ZDFheute und Focus Online. Das Social-Media-Team der Nachrichtensendung des ARD schreibt dann selbst in einem Beitrag, dass es mit der Masse an Beiträge nicht mehr zu schaffen kommt.

2. AfD: Schussbefehl an der Grenze

Die Forderung von AfD-Chefin Frauke Petry hat in allen politischen Lagern für Empörung gesorgt: Die Polizei solle an der Grenze zu Waffengewalt greifen, um als Ultima Ratio einen illegalen Grenzübertritt zu verhindern. Zur gleichen Zeit lässt in Österreich Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil vermelden, dass bis 2019 50.000 Asylwerber abgeschoben werden sollen. Zuvor hatte die schwedische Regierung verkündet, dass sie 80.000 Abschiebungen durchführen werde.

3. Flüchtlinge stürmen mazedonischen Grenzübergang

Ende Februar: 8.500 Geflüchtete stecken auf ihrer Reise in Idomeni fest. Ob der Tageskontingente der Staaten auf der Balkanroute lässt Mazedonien jeden Tag nur wenige Flüchtlinge durch. Vielen ist das zu langsam: Hunderte Männer liefen in Gruppen gegen den Grenzzaun an. Die Polizei setzte Tränengas ein. Daraufhin warfen Männer mit Steinen auf die Beamten. Weitere Munition für die Debatte in sozialen Medien.

4. Terroranschläge in Brüssel

Der IS-Anschlag auf den Flughafen und eine U-Bahn-Station nahe der EU-Institutionen mit 35 Toten und mehr als 300 Verletzten hat auf Facebook einerseits zu Solidaritätsbekundungen geführt, andererseits auch zu politischen Vereinnahmungen. Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry sieht die "Je suis"-Bekundungen als Heuchelei und trifft damit den Zeitgeist ihrer Gefolgschaft.

5. Mitte April und Mitte Mai: Bundespräsidentenwahl in Österreich

Die Abstimmung über das höchste Amt im Staat ist auch eine Abstimmung über die Flüchtlingspolitik des Landes. Auf der einen Seite steht Alexander Van der Bellen mit einer gesellschaftlich offeneren Philosophie und dem Appell an das Miteinander. Auf der anderen Seite der freiheitliche Norbert Hofer, der für einen zuwanderungskritischen Asylkurs einsteht. Jedes Lager darf ein Mal jubeln: den ersten Durchgang der Wahl gewinnt Hofer, die Stichwahl geht an Alexander Van der Bellen. Zu beiden Zeiten gehen auf Facebook die Wogen hoch. Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei der Wiederholung der Stichwahl in vier Wochen so sein.

Sentimentanalyse

Durch die Erfassung von emotional belegten Wörtern und Smilies kann man die emotionale Komponente von Texten automatisch einschätzen. Diese Analyse zeigt: der Anteil von eher positiven zu eher negativen Emotionen blieb über das Jahr – bis auf die Zeit nach der Bundespräsidentenwahl – relativ stabil.

Welche Emotionen die User beim Verfassen der Beiträge spüren, kann man damit natürlich nicht erheben – neutral formulierte oder nicht automatisch einteilbare Posts können für diese Methode nicht erkennbar (da unterschwellig) fürsorglich oder hasserfüllt sein. Genauso gut kann beispielsweise der Inhalt eines emotional als positiv erkannten Postings Häme über das Leid anderer ausdrücken.