"Offen, welchem konkreten und aktuellen Informationsbedürfnis der Bevölkerung durch diese entgeltlich geschalteten Informationen gedient wäre": Jurist Kogler über die Heereskampagne.

Foto: BMLV/Bundesheer

"250.000 pink-weiße Zwergstiefmütterchen": Das Pressebild des Wiener Presse- und Informationsdiensts zum auch vielfach beworbenen Frühling in Wien, links Stadträtin Ulli Sima.

Foto: Christian Houdek/PID

Wien – Michael R. Kogler weiß, was mit Mediengesetzen gemeint ist. Er hat viele davon mitverfasst, vom ORF-Gesetz bis zum Medientransparenzgesetz, das die Werbung öffentlicher Stellen seit 2012 regelt. Kogler ist seit 1999 stellvertretender Leiter der Medienabteilung des Verfassungsdiensts im Kanzleramt. Und den Mann interessiert, wie diese Gesetze umgesetzt werden. Diese Umsetzung lässt ihn da und dort staunen, gerade wieder über die Werbung von Ministerien und Ländern.

Kogler schreibt in juristischen Fachzeitschriften über seine Beobachtungen. Zum Beispiel in der "Zeitschrift für Informationsrecht" (Ausgabe 2016/3) über die Regierungswerbung, eine subjektive Beobachtung beim Medienkonsum des ersten Halbjahrs 2016.

Erst die Schaltung, dann der Inhalt

Koglers Fazit: "Der Inhalt vieler Inserate erweckt jedenfalls den Eindruck, als habe man zuerst die Schaltung eines Inserats in einer bestimmten Größe beauftragt und erst danach noch nach einem Ereignis oder einer Tatsache gesucht, deren Beschreibung zur 'Tarnung' als Sachinformation gemeinsam mit wohldosierter Imagewerbung den schon gekauften Platz des Inserats füllen könnte."

"Inhaltsleere Slogans"

Der Medienjurist räumt ein, dass "viele Inserate durchaus Nützliches im Sinne vom Gesetzgeber beabsichtigter Sachinformation zum Inhalt haben". Aber: "Daneben beschränken sich manche Bundesländer in vielen Inseraten auf inhaltsleere Slogans und wohlklingende Ausführungen zur Verbesserung ihres Ansehens."

Die Vorgaben des Gesetzes

Das Medientransparenzgesetz schreibt seit 2012 vor, dass Werbeschaltungen öffentlicher Stellen "ausschließlich der Deckung eines konkreten Informationsbedürfnisses der Allgemeinheit zu dienen" haben oder zumindest dem generell definierter Gruppen. Sie dürfen jedenfalls nicht "ausschließlich oder teilweise lediglich der Vermarktung der Tätigkeit des Rechtsträgers dienen". Richtlinien definieren diese Nützlichkeit näher. Dafür reicht nach Ansicht Koglers aber nicht, dass diese Inhalte "neu, belustigend oder gar überraschend sind", und "bloße Wissensvermehrung" ebenso wenig.

"Erfindungsreichtum im Verbinden von Sachinformationen und Imagewerbung"

Gerade solche Informationen fand Kogler in zahlreichen Inseraten des größten Spenders unter den öffentlichen Werbern, der Stadt Wien. Als Werbung gebuchte Informationen etwa über "250.000 ausgesetzte pink-weiße Zwergstiefmütterchen, hierzu rund 900.000 Blumenzwiebeln, die schon im Herbst gepflanzt wurden", lassen ihn zweifeln.

Er will jedenfalls "den für die Versorgung der Printmedien mit Inseraten Verantwortlichen" Wiens "kreativen Erfindungsreichtum im Verbinden von Sachinformationen und Imagewerbung nicht absprechen". Er wundert sich über die Größe und Häufigkeit von Inseraten etwa über die "vielen Grünoasen der Donaumetropole", dass in Wiener Freibädern "Langeweile keine Chance" habe, dass "Schuhe das Wichtigste beim Inline-Skaten sind, ob mit Schnallen oder zum Schnüren", dass auf Wiener Märkten "knackiges Gemüse, frisches Obst und auch Produkte aus biologischer Landwirtschaft" angeboten werden, und auch "Fleisch, Fisch, Backwaren, Wein und Käse", dass "in Wien der Frühling einzieht" und mit wie vielen Blumenzwiebeln das einhergeht und wo man in Wien am besten liest: "auf einem bequemen Sessel in der Ecke, im Park unterm Baum liegend oder ungestört am Tisch oder Lesepult". Bei solchen Beispielen beschleicht Kogler dieser "Tarnungs"-Verdacht.

Die Mängelliste

Wirklich "grübeln" lassen Kogler andere Inserate in dem halben Jahr – ob nämlich "ihr Inhalt mit dem gesetzgeberischen Willen vollständig in Einklang zu bringen ist", eben Imagepflege auszuschließen. Koglers stichprobenartige Mängelliste im Überblick:

  • "Auf unser Heer kommt's an. Gerade jetzt": Die Kampagne des Verteidigungsministeriums vermittle zwar, dass ein Soldat des Jagdkommandos "Verantwortung in vorderster Reihe übernimmt" und "im In- und Ausland, im Wasser, am Boden und in der Luft Außergewöhnliches für die Sicherheit des Landes" leistet, seine "einzigartigen Fähigkeiten" und einiges mehr. Aber sie lässt für Kogler "offen, welchem konkreten und aktuellen Informationsbedürfnis der Bevölkerung durch diese entgeltlich geschalteten Informationen gedient wäre".

  • "Impulse für Innovationen": Das Infrastrukturministerium lässt etwa wissen, dass es "den Wirtschaftsstandort mit gezielten Innovationen stärkt" und das Ziel hat, "die Lebensqualität zu steigern". Kogler: "Ein für den Durchschnittsbetrachter oder für eine bestimmte Personengruppe verwertbarer Nutzen folgt aus dem Studium des Inserats jedenfalls nicht."

  • "Wussten Sie, dass ...": Diese Kampagne des Infrastrukturministeriums erregt bei Kogler ebenfalls "eine gewisse Skepsis" – ob etwa die Info dem Gesetz entspricht, dass ein Konsortium daran arbeitet, Hanf als Rohmaterial für Windkraftwerke zu verwenden.

  • "Ziel Rio 2016": Kogler vermisst relevanten Benefit für Allgemeinheit oder Gruppen durch Aussagen, dass die Olympiateilnehmer "top betreut" sind und "beste Unterstützung auf allen Gebieten erhalten".

  • "Best of Austria: Innovation im Land. Erfolgreich in der Welt" des Landwirtschaftsministeriums lasse "ebenfalls mutmaßen", wer (oder welche Gruppe) aus welcher darin versteckten Information im Sinn des Gesetzes "einen gewissen Vorteil ziehen kann". Jedenfalls biete sie "keine nützlichen Informationen".

  • "Nur hymnische Zeilen", abgesehen von beeindruckenden Zahlen, findet Kogler in einem Inserat von Wohnen.Wien.at unter der Schlagzeile "Geförderter Wohnbau schafft Arbeitsplätze".

  • "Bloße Vermarktung" sieht der Medienjurist in Inseraten über die "Musikstadt" Wien und ihre 63 für Musik vergebenen Millionen, ebenso in jenen über die "Kunststadt" Wien.

  • "Im Land Burgenland wiederum beherrscht man die Kunst, die vom Gesetz vorausgesetzten Sachinformationen auf ein Minimum zu reduzieren und unter vielen der Pflege und Verbesserung des Ansehens dienenden Sätzen zu verstecken", urteilt Kogler. Beispiel: Ein "wortreiches" Inserat über "beste Wohnbauförderung Österreichs", das "die Kontaktadresse des Amtes der Landesregierung" bekanntmache und zwei Sätze über einen Förderschwerpunkt verliere.

  • Kogler sucht "vergeblich nach einer nützlichen Information" auch in einem burgenländischen Inserat zum "Jahr der Bildung" im Burgenland. Zweifel am vorgeschriebenen Nutzen hat er auch bei einem Inserat über die Zeitersparnis bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel gegenüber dem Pkw. Im Vordergrund der Schaltung stehe, dass das Land "heuer 17,5 Millionen Euro für das Angebot des Öffentlichen Verkehrs" ausgebe.

  • "Oberösterreich tut mehr" und "Oberösterreich bewegen" können laut Kogler "eine imagefördernde Zielrichtung nicht verleugnen, lassen aber einen sachdienlichen Nutzen der entgeltlichen Einschaltung vermissen".

  • Zum Abschluss formuliert Kogler etwas dezenter: "Es erweckt den starken Anschein, dass auch das Land Niederösterreich entgeltliche Veröffentlichungen für Selbstdarstellungen nutzt." Beispiel: "Wissenschaft in Niederösterreich boomt!" Nützliche Information findet er hier nicht, dafür aber Sätze wie "Der eingeschlagene Kurs stimmt, Niederösterreich hält daran fest". Das könne man nicht für die Beachtung des Medientransparenzgesetzes behaupten, findet der Jurist.

Kogler vermisst da und dort auch die vorgeschriebene Kennzeichnung von Schaltungen.

Positiv-Liste

Aber er führt in dem Fachbeitrag auch eine Reihe von nutzbringenden Positivbeispielen an, von Infos und Inseraten über eine Wien-App mit Stadtplan, eine Wiener Inseratenserie mit dem Aufruf zu Akzeptanz und Zivilcourage, für Forschungspraktika und über Drohnen-Konditionen (Infrastrukturministerium), für die Handysignatur (Kanzleramt), über das Konsumentenportal des Sozialministeriums, über den Viktualia Award des Umweltministeriums, Reiseinfos des Außenministeriums, zur Kinderbetreuung des Familienministeriums zur Langen Nacht der Forschung (Wissenschafts-/Wirtschaftsministerium), Helplines für Frauen (Frauenministerium) und die Masernkampagne des Gesundheitsministeriums.

"Nutzlose Medieninszenierungen unterbinden"

Und dennoch, vermutet Kogler aus der Breite seiner Beobachtungen: "Die inhaltlichen Anforderungen in Paragraf 3a Medientransparenzgesetz dürften bei den Public-Relations-Strategen der Bundesministerien und Landesregierungen besonders unbeliebt sein. Die Regeln sollen ja an sich jegliche für den Durchschnittskonsumenten nutzlose, aber kostspielige Medien-Inszenierungen unterbinden." (fid, 25.8.2016)