"Mehr Druck" auf Flüchtlinge propagiert ÖVP-Klubchef Lopatka: "Viele sind Jahre hier, haben aber bis auf ein paar Monate nie gearbeitet, und das Fatale ist: Die Kinder kennen nichts anderes."

Foto: Der Standard/Cremer

"Vollverschleierung ist ein Randthema, aber es geht um ein Signal: Wir sollten nicht tolerant gegenüber Intoleranten sein."

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STANDARD: Wie oft ist Ihnen in Österreich schon eine Frau mit einer Burka über den Weg gelaufen?

Lopatka: Die Burka sieht man kaum, aber den Niqab immer öfter, und auch dabei handelt es sich um Vollverschleierung. Erst unlängst bin ich in Wien einer ganzen Gruppe verschleierter Frauen mit Kinderwägen begegnet. Wie Touristinnen sahen die nicht aus.

STANDARD: Dennoch: Bauscht die ÖVP mit dem Ruf nach dem Burkaverbot nicht ein hierzulande sehr kleines Phänomen unnötig auf?

Lopatka: Die Vollverschleierung ist in der Integrationsfrage ein Randproblem, da haben Sie recht. Aber es geht um ein Signal, das gemeinsam europaweit gesetzt werden sollte: Burka und Niqab werden Frauen von islamistischen Fanatikern übergestülpt, die unsere Gesellschaft ablehnen – und wir sollten nicht tolerant gegenüber den Intoleranten sein.

STANDARD: SPÖ-Klubchef Andreas Schieder zeigt sich aufgeschlossen, fordert von der ÖVP aber gleichzeitig ein Ja zur Homo-Ehe.

Lopatka: Das kommt für die ÖVP überhaupt nicht infrage. Es ist falsch, diese beiden Themen, die nichts miteinander zu tun haben, zu verknüpfen. Ich bin generell gegen Junktims in der Politik.

STANDARD: Sie haben unlängst doch selbst einen solchen Abtausch vorgeschlagen: Die ÖVP sagt Ja zur Wohnsitzpflicht für Flüchtlinge, die SPÖ akzeptiert die Deckelung der Mindestsicherung bei 1.500 Euro.

Lopatka: Das war kein Junktim, ich habe lediglich die logische Grundvoraussetzung genannt. Ohne einheitliches Niveau der Mindestsicherung wäre ein vorgeschriebener Wohnsitz für Flüchtlinge unvertretbar, weil höchst ungerecht.

STANDARD: Aber dazu braucht es noch lange keine Deckelung.

Lopatka: Die braucht es, weil wir nicht so tun dürfen, als lebten wir in der Welt von gestern. Alle anderen europäischen Staaten haben Sozialleistungen angesichts der Flüchtlingswelle massiv beschränkt, nur Österreich nicht. Wir müssen nicht nur die Höhe der Mindestsicherung begrenzen, sondern auch den Zugang: Wer weniger als fünf Jahre im Land ist, soll nur mehr eine Leistung in Höhe der Grundversorgung plus Integrationsbonus erhalten – maximal 560 Euro im Monat.

STANDARD: Warum sollen Asylberechtigte mit weniger Geld auskommen können als andere Bürger?

Lopatka: Weil sie das als Asylwerber in der Grundversorgung auch konnten.

STANDARD: Da bekamen sie allerdings ein Dach über dem Kopf garantiert.

Lopatka: Ja, das muss berücksichtigt werden. Aber Studenten wird auch zugemutet, in Wohngemeinschaften mit wenig Geld über die Runden zu kommen.

STANDARD: Studenten erhalten Stipendien oder Hilfe vom Elternhaus, können in den Ferien nach Hause fahren, haben viel bessere Möglichkeiten, etwas dazuzuverdienen: Ihr Vergleich hinkt.

Lopatka: Das finde ich nicht. Ich kenne einfach zu viele Beispiele, die zeigen: Es fällt Flüchtlingen relativ leicht, sehr lange in der Mindestsicherung zu bleiben. Viele sind Jahre hier, haben aber bis auf ein paar Monate nie gearbeitet, und das Fatale ist: Die Kinder kennen nichts anderes. Die Mindestsicherung schafft für diese Menschen weit bessere Bedingungen, als sie im Herkunftsland hatten. Viele Flüchtlinge vergleichen, was ihnen ein Job einbringt – und entscheiden sich gegen die Arbeit.

STANDARD: Solche Fälle wird es geben, aber ist Ihre Verallgemeinerung nicht eine arge Unterstellung? Das System sieht längst Strafen für Arbeitsunwillige vor, und angesichts von 380.000 Arbeitslosen haben viele Flüchtlinge einfach keine Chance auf Jobs, schon gar nicht ohne Deutsch und Qualifikation.

Lopatka: Es fehlt Flüchtlingen schon auch an Bereitschaft, Arbeit anzunehmen, da müssen wir den Druck erhöhen. Deshalb braucht es auch die von der ÖVP vorgeschlagenen Ein-Euro-Jobs, sonst finden diese Menschen nie in die geregelten Abläufe unserer Arbeitswelt hinein. Wer keinen Job hat, muss einen anderen Beitrag für die Gesellschaft leisten.

STANDARD: Gemeinnützige Arbeit schön und gut, aber warum muss diese schäbig bezahlt werden?

Lopatka: Weil all das der Steuerzahler finanzieren muss. Ich war neulich in einem Betrieb, wo Frauen 1.300 Euro netto verdienen. Die stehen früh auf, haben einen langen Arbeitsweg, zahlen ins Sozialsystem ein – irgendwann reicht's denen. Flüchtlinge bekämen über den Ein-Euro-Job hinaus ohnehin die reduzierte Mindestsicherung, Familienbeihilfe und Krankenversorgung.

STANDARD: Werden die klammen Gemeinden nicht einfach Tätigkeiten, die bisher regulär bezahlt wurden, durch Ein-Euro-Jobs ersetzen?

Lopatka: Das glaube ich nicht. Wifo-Chef Karl Aiginger hat darauf hingewiesen, dass es genügend sinnvolle Tätigkeiten gibt, die derzeit überhaupt nicht wahrgenommen werden.

STANDARD: Für Zwang ist Aiginger nicht. Was soll eine Pflicht für anerkannte Flüchtlinge, wenn es – wie Gemeindebundchef Helmut Mödlhammer kritisiert – bisher nicht einmal gelingt, Asylwerbern gemeinnützige Arbeit anzubieten?

Lopatka: Natürlich muss es erst das Angebot geben, alles andere wäre absurd. Ich teile Mödlhammers Kritik, da braucht es bessere Kooperation. Es wäre Sache des Bundeskanzlers, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen.

STANDARD: Wie erleben Sie Christian Kern in der Koalition?

Lopatka: Ich habe den Eindruck, dass SPÖ und ÖVP an der Koalition bis 2018 festhalten wollen. Doch wenn Kern Informationen aus Regierungssitzungen ausplaudert, den niederösterreichischen Landeshauptmann als Paten verunglimpft und das Weltbild der ÖVP im 18. Jahrhundert ansiedelt, dann ist das kein guter Stil. So etwas haben seine Vorgänger, von Wolfgang Schüssel bis Werner Faymann, nie gemacht. Auch die jüngste Kritik von Regierungskoordinator Thomas Drozda an Außenminister Sebastian Kurz war völlig unangebracht.

STANDARD: Andere in der Koalition sagen allerdings: Der größte Quertreiber seien Sie.

Lopatka: Nein, ich treibe nicht quer, sondern die Debatte voran. Ich kann nicht, wie es die SPÖ immer wieder versucht, so tun, als ob es die Umbrüche im Zuge der Flüchtlingswelle nicht gäbe. (Gerald John, 25.8.2016)