Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat der "Kleinen Zeitung" ein Interview gegeben, das ein Dokument der Resignation darstellt. Vielleicht einer persönlichen Resignation im Hinblick auf seine weitere Tätigkeit, jedenfalls aber der Resignation eines klassischen Politikers einer regierenden Mitte-Partei. Mitterlehners ÖVP ist eine Mitte-rechts-Partei alten europäischen Schlags. Sie steht, wie der andere Regierungspartner, die Mitte-links-SPÖ, unter massivem Druck der scheinbar unbesiegbaren harten Rechten.

Mitterlehner sagt deutlich wie nie, dass er und seinesgleichen kein Rezept dagegen haben. Er und Kanzler Kern bemühten sich, dem Bild zerstrittener Partner entgegenzuwirken. "Aber leider leben wir in einer Zeit des Populismus. Kein Mensch fragt mehr, was wirklich umgesetzt wird. Man gibt eine kräftige Meldung in den Medien ab und damit hat sich die Geschichte."

Wer jetzt nicht die Assoziation von Mitterlehners Rivalen Sebastian Kurz und Wolfgang Sobotka und ihren "Meldungen" hat, war die letzten Wochen am Südpol.

Mitterlehner liefert aber auch eine richtige politische Analyse dazu: "Die Streitereien sind auch wahltaktisch falsch. Alle Experten bestätigen, dass der Wähleraustausch nicht mehr zwischen SPÖ und ÖVP stattfindet, sondern zwischen Regierung und Opposition."

Denn die "Menschen draußen" erwarten von der Regierung nichts mehr und wenden sich jenen zu, "die einfachere Lösungen anzubieten haben" (Mitterlehner). "Dass die aber keine echten Lösungen haben, hat man beim Brexit drei Tage nach der Abstimmung schon gesehen. Es gab in den letzten Jahren kein besseres Beispiel dafür, wohin rechtspopulistische Absichten führen."

Und dennoch wählen die Leute die Rechtspopulisten, sie schieben – im Fall der FPÖ – die unendlich lange Liste an teuren Katastrophen weg: die Hypo Kärnten, den ganzen Sumpf aus Korruption und Unfähigkeit rund um die Buwog, Telekom und so weiter, und so weiter.

Die Reaktion der Kurz-Sobotka-Lopatka-Blümel-Truppe in der ÖVP besteht darin, selbst weiter in Richtung Rechtspopulismus zu rücken. Eine fragwürdige Strategie.

Aber was sollen die regierenden Mitte-Parteien, und da ist die SPÖ durchaus dabei, denn sonst machen? Wir leben eben im Zeitalter des Populismus, auch international. Es wird schlecht ausgehen, der Rechtspopulismus wird Jahrzehnte an Erfolgen zerstören, aber das wollen die Populismuswähler (noch?) nicht wahrhaben.

Es gibt kein Wundermittel. Aber zwei Dinge könnte eine Regierung aus Mitte-Parteien schon machen: den Leuten zuhören und ihnen plausibel erklären, was jetzt getan werden muss. Sich nicht mit Burkablödheiten aufhalten. Sondern einen Plan entwerfen, wie man den großen Umwälzungen – Veränderung der Arbeitswelt, Flüchtlingskrise – begegnen will. Es besteht Bedarf an einem großen Erklärer. Die Leute wollen jemanden, der ihnen zeigt, dass er die Welt versteht.

Wer das zustande bringt, kann den Bann der Rechtspopulisten brechen. (Hans Rauscher, 26.8.2016)