Präsident Sergio Mattarella, Senats-Präsident Pietro Grasso, Sprecherin Laura Boldrini, Premierminister Matteo Renzi und seine Frau Agnese bei der Trauerfeier.

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Ascoli Piceno/Rom – Mit einem nationalen Trauertag hat Italien am Samstag der bisher 290 Toten nach dem Erdbeben vom Mittwoch gedacht. Zu einem Staatsakt für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Italien strömten zahlreiche Trauernde und Überlebende der Katastrophe in die Sporthalle der mittelitalienischen Stadt Ascoli Piceno, die in eine behelfsmäßige Kapelle umgewandelt worden war.

In Andenken an die Opfer wurden landesweit die Flaggen auf Halbmast gesetzt. An der Trauerzeremonie für 35 der 49 Opfer in der mittelitalienischen Region Marken beteiligten sich auch Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella, der zuvor das Katastrophengebiet besucht hatte, sowie Premier Matteo Renzi, der den Verwandten der Opfer Trost spendete. Eine lange Reihe von Särgen wurde in der Sporthalle aufgestellt. Die Namen aller Opfer wurden zu Beginn der Trauerzeremonie verlesen.

"Wir erleben eine Zeit der Kriege. Auch ein Erdbeben ist ein Krieg, denn die Natur verzeiht uns nicht. Es ist weiser, im Einklang mit der Natur zu leben, als sie zu provozieren", sagte der Bischof von Ascoli Piceno, Giovanni D ´Ercole, in seiner Predigt. Der Bischof zeigte sich überzeugt, dass die zerstörten Gemeinden zu neuem Leben erwachen werden. "Unsere Gegend besteht aus Menschen, die nicht den Mut verlieren. Zusammen werden wir unsere Häuser und Kirchen wieder aufbauen", sagte D ´Ercole.

Auch der weiße Sarg der neunjährigen Giulia wurde in der Sporthalle von Ascoli Piceno aufgestellt. Sie hatte mit ihrem Körper ihre vierjährige Schwester Giorgia geschützt, die als eine der letzten Menschen lebend aus den Trümmern in Pescara del Tronto gerettet worden war. Der Bischof bezeichnete es als Wunder, dass Giorgia nach 16 Stunden lebend unter den Trümmern ihres Kinderzimmers geborgen werden konnte. "Das Leben hat mit Giorgia über den Tod gesiegt", sagte D ´Ercole.

Tiefe Anteilnahme

Papst Franziskus drückte seine tiefe Anteilnahme an der Trauer der Familienangehörigen aller Opfer des Erdbebens aus. "Der Papst betet für die Opfer des Erdbebens", teilte der vatikanischen Staatssekretär, Kardinal Pietro Parolin, mit. In der Basilika des Heiligen Franz in Assisi ertönten zu Beginn der Trauerzeremonie in Ascoli Piceno die Glocken. Die Gemeinschaft der Franziskanermönche schloss sich den Gebeten für die Erdbebenopfer an.

Vor Beginn der Trauerzeremonie hatte Italiens Präsident Mattarella die besonders schwer getroffenen Ortschaft Amatrice besucht. Er sprach mit Einsatzkräften, die nach Verschütteten suchen, und dankte ihnen für ihre Arbeit. Mattarella versprach den vollen Einsatz der Institutionen für einen raschen Wiederaufbau und besuchte Verletzte in den Krankenhäusern der Gegend. Besonders wichtig sei, den Beginn des Schuljahres in den betroffenen Gemeinden zu sichern, betonte schließlich Italiens Premier Matteo Renzi.

Inzwischen wuchs die Zahl der Todesopfer des Erdbebens auf 290. 388 Personen wurden verletzt, 2.444 Obdachlose werden vom italienischen Zivilschutz versorgt. Aus den Trümmern des Hotels Roma in Amatrice wurden drei weitere Tote geborgen, darunter ein Ehepaar. Da es noch weitere Verschüttete gibt, dürfte die Zahl der Opfer noch weiter steigen.

Für den kommenden Dienstag ist eine "Begräbnisfeier ohne Leichen" für die Opfer der Ortschaften Amatrice und Accumoli vorgesehen. Dazu wird auch Italiens Regierungschef Renzi erwartet. Der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, hatte zuvor geklagt, nach dem Beben stehe keine einzige Kirche mehr in Amatrice, "also findet die Zeremonie im Freien statt".

Die Staatsanwaltschaft in der italienischen Stadt Rieti ermittelt bereits, ob in der Erdbebenregion gegen Bauvorschriften verstoßen wurde. "Was da passiert ist, kann nicht nur als Unglück gesehen werden", zitierte die italienische Tageszeitung "La Repubblica" am Samstag Staatsanwalt Giuseppe Saieva. Bei einigen der zerstörten Häuser sei "mit mehr Sand als Zement" gebaut worden. Vor allem der Einsturz einer erst vor kurzem renovierten Grundschule in Amatrice hatte für Aufsehen gesorgt. Bisher seien aber keine Verdächtigen identifiziert worden.

Auch zahlreiche Tiere sind bei dem schweren Erdbeben verletzt worden. Jetzt will sich die Tierklinik der Universität Camerino in der Region Marken um die Vierbeiner kümmern, wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA am Samstag meldete.

Zahl der Opfer gestiegen

Die Zahl der Toten nach dem Erdbeben ist nach einer vorläufigen Bilanz auf 290 gestiegen. 230 Todesopfer wurden in der Bergortschaft Amatrice, Epizentrum des Bebens, gemeldet. Weitere elf Menschen kamen im Dorf Accumoli und 49 in Arquata ums Leben.

388 Menschen wurden beim schweren Erdbeben verletzt, 2.444 sind obdachlos. Das Beben ist damit inzwischen nahezu so verheerend wie jenes von L'Aquila im April 2009. Damals kamen mehr als 300 Menschen ums Leben.

Mindestens 43 Leichen sind noch nicht identifiziert. Die meisten von ihnen befinden sich im Krankenhaus der Stadt Rieti nördlich von Rom. Nach Rieti pilgerten Dutzende Angehörige auf der Suche nach Nachrichten über vermisste Verwandte, berichteten italienische Medien.

2.500 Obdachlose

2.500 Menschen sind in den vom Erdbeben betroffenen Gemeinden obdachlos. Viele von ihnen verbrachten die Nacht in Zeltlagern, andere übernachteten in Autos vor ihren zerstörten Häusern. Sie befürchten Plünderungen. Die Kontrollen wurden verschärft.

Ein Team aus vier Staatsanwälten ermittelt in der Stadt Rieti wegen Fahrlässigkeit in Zusammenhang mit Bauarbeiten in Amatrice, Epizentrum des Erdbebens. Unter die Lupe nahmen die Staatsanwälte die Volksschule in Amatrice, die erst 2012 renoviert worden war, beim Erdbeben jedoch fast vollständig zusammengebrochen war. 115 schwerbeschädigte Gebäude in Amatrice wollen die Staatsanwälte unter die Lupe nehmen. "Wären die Gebäude wie in Japan errichtet worden, wären sie in Amatrice nicht zusammengebrochen", sagte der Staatsanwalt von Rieti, Giuseppe Saieva. (APA, 27.8.2016)

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