Türkische Soldaten auf dem Weg zur syrischen Grenze.

Foto: AFP PHOTO / BULENT KILIC

Der türkische Einmarsch in Syrien droht eine gefährlich Gewaltspirale zwischen zwei von den Vereinigten Staaten unterstützten Gruppen auszulösen. Syrische Rebellen, die mit Hilfe der Türkei im Norden Syriens einmarschiert sind, stießen am Samstag nach eigenen Angaben mit Kämpfern des von Kurden angeführten Militärbündnisses Demokratische Kräfte Syriens (SDF) zusammen. Mit der SDF verbündete Rebellen wiederum griffen türkische Panzer an und töteten dabei einen Soldaten, der damit das erste türkische Todesopfer seit dem Einmarsch ist. Der Kampf gegen die Extremisten des "Islamischen Staates" (IS) droht damit ins Hintertreffen zu geraten.

Bei der SDF handelt es sich um ein von der Kurdenmiliz YPG angeführtes Bündnis, das vor allem die Extremisten des "Islamischen Staates" (IS) bekämpft. Unterstützt wird es dabei durch Luftangriffe und Spezialkräfte der US-geführten internationalen Koalition. Ausrüstung erhielten Kämpfer der YPG auch aus Europa.

Abkürzungen

SDF: Syrische Demokratischen Kräfte – syrisches Militärbündnis, das von den Kurden dominiert wird. Allen voran von der...

YPG: Syrische Kurdenmiliz, die eng mit der Kurdenpartei PYD verbunden ist und von US-Spezialkräften unterstützt werden.

IS: Extremistengruppe "Islamischer Staat", die von Kämpfern des SDF als auch von syrisch-arabischen Rebellen, die von der Türkei unterstützt werden, bekämpft werden.

Streit um Manbij

Zentraler Streitpunkt war die vergangenen Tage dabei vor allem die syrische Stadt Manbij, am westlichen Ufer des Euphrat. Kurdische Kämpfer eroberten den Ort erst diesen Monat vom IS.

Am Donnerstag gaben Kämpfer der Kurdenmiliz YPG bekannt, dass sie sich – offenbar unter US-Druck – aus der Stadt zurückgezogen haben. Die Verkündung des Rückzugs erfolgte nur wenige Stunden nachdem türkische Spezialkräfte und Panzereinheiten die Grenze Richtung Syrien überquerten und syrische Rebellen, die von der Türkei und den USA unterstützt werden, die Stadt Jarabulus vom IS eroberten.

Am Freitag behaupteten syrische Rebellen, mit den Kurden verbündete Kämpfer hätten noch immer die Kontrolle über Manbij. Die Kurden wiederum behaupten, sie hätten die Kontrolle einem lokalen Militärrat in der Stadt übergeben. Der steht laut syrischen Rebellen allerdings unter der Kontrolle der Kurden.

Das türkische Militär bombardierte daraufhin Ziele in der Region.

Am Samstag folgten weitere Luftangriffe der Türkei nördlich von Manbij, während sich syrische Rebellen Bodenkämpfe mit Kämpfern des SDF-Bündnisses in Jarabulus lieferten.

Am Samstagabend folgte eine weitere Eskalation. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, dass Raketen zwei türkische Panzer südlich von Jarabulus trafen und ein türkischer Soldaten dabei ums Leben kam. Drei weitere wurden verletzt. Die mit der SDF verbündete Gruppe "Jaysh al-Thowar" bekannte sich am späten Samstagabend zu dem Angriff.

US-Verbündete gegen US-Verbündete

Damit droht ein Konflikt zwischen zwei von den Vereinigte Staaten unterstützten Gruppen – die von CIA und US-Verteidigungsministerium unterstützten syrisch-arabischen Rebellen und die vom US-Verteidigungsministerium unterstützten kurdischen Kämpfer der YPG.

Damit nicht genug: Seit diesem Jahr unterstützen auch Spezialeinsatzkräfte des US-Militärs kurdische Einheiten im Kampf gegen den IS. Die Unterstützung ging dabei so weit, dass US-Soldaten kurdische Kämpfer bis an die Frontlinie im Kampf gegen die islamistischen Extremisten begleiteten.

Blockade

Die Türkei, die bei ihrem Vorgehen in Syrien ebenfalls von Washington unterstützt wurde, fordert, dass sich die Kurden aus der Region um Jarablus auf ein Gebiet östlich des Flusses Euphrat zurückziehen. Die erste türkische Bodenoffensive in Syrien seit Ausbruch des Bürgerkriegs vor mehr als fünf Jahren richtet sich gegen den IS und die YPG. Die Kurden kontrollieren bereits große Gebiete an der Grenze zur Türkei und haben dort eine Selbstverwaltung errichtet.

Die türkische Regierung will verhindern, dass die Kurden noch mehr Gebiete unter ihre Kontrolle bringen. Sie befürchtet Auswirkungen auf die kurdische Autonomiebestrebungen im eigenen Land. Die Kurdenpartei PYD und die Miliz YPG sind eng mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden, die von der Türkei als Terrororganisation eingestuft wird.

Pläne für Waffenruhe

Die USA und Russland verständigten sich unterdessen grundsätzlich über Schritte zu einer Waffenruhe zwischen Anhängern des Regimes und Rebellen, die sich in anderen Regionen Syriens gegenüberstehen. Besonders umkämpft ist dabei die nordsyrische Stadt Aleppo.

Allerdings müssten bis zu einer Waffenruhe noch eine Reihe von Einzelheiten geklärt werden, sagten die Außenminister beider Länder am späten Freitagabend nach mehr als zwölfstündigen Verhandlungen in Genf. In diplomatischen Kreisen hieß es, trotz der langen Gespräche sei "lediglich ein kleiner gemeinsamer Nenner bestätigt worden". Experten beider Länder sollten jetzt offene Fragen klären. (stb, APA, Reuters, 27.8.2016)