Der Plan geht so: Relativ bald geht Reinhold Mitterlehner als Nachfolger von Landeshauptmann Sepp Pühringer nach Oberösterreich. Spitzenkandidat der ÖVP für die dann zu erwartenden Neuwahlen wird Sebastian Kurz, Parteichef Innenminister Wolfgang Sobotka.
Es wird der derzeitige Kurs der Härte in Flüchtlingsfragen verschärft. Die ÖVP – oder eher der dominierende rechte Flügel – glaubt, dass sie damit bei Neuwahlen doch wieder deutlich über 20 Prozent zu liegen kommt. Sie geht dann das kalkulierte Risiko ein, als Juniorpartner der FPÖ eine Regierung zu bilden. Die in Jahrzehnten Regierungstätigkeit und Intrigen erfahrene ÖVP glaubt dann, sie werde mit der unerfahrenen und flächendeckend mit inkompetentem Personal versehenen FPÖ schon fertigwerden. Eine Mehrheit von Rechtsaußen und Rechts.
Dieses Szenario lässt sich aus objektiven Tatsachen und Planspielen, die in Wien umlaufen, entwerfen. Der Kern dabei ist, dass in der ÖVP fast niemand mehr an den Sinn einer Koalition mit der SPÖ glaubt.
Man kann die ÖVP sogar bis zu einem gewissen Grad verstehen. SPÖ und ÖVP haben keine Gemeinsamkeiten mehr, keine Projekte. Die Wirtschaftspolitik müsste modernisiert werden, aber da blockiert die Gewerkschaft (allerdings auch die Wirtschaftskammer). Die SPÖ hinter Christian Kern glaubt noch an den alten Hochsteuer- und Umverteilungsstaat. Umgekehrt will die ÖVP das Flüchtlingsproblem, das ihre Minister im vorigen Jahr mit bürokratischer Unfähigkeit versemmelt haben, nachträglich mit schikanöser Behandlung der Asylwerber "lösen". Da geht die SPÖ nicht mit.
Stillstand. Es gäbe für alle Probleme vernünftige Kompromisslösungen. Aber die SPÖ kann sich trotz Kerns nicht vom alten Denken lösen. Die ÖVP glaubt, mit Tricks ihre Macht erhalten zu können.
Die ÖVP macht jetzt de facto Wahlkampf für Norbert Hofer. "Notstandsverordnung", Burkaverbot, Kürzung von Sozialleistungen (nicht nur für Asylwerber) – das ist das Thema der FPÖ. Hofer revanchiert sich, indem er die schwarzen und roten Rechten Kurz, Sobotka und Hans Peter Doskozil ausdrücklich lobt. Kurz fragt Vertreter von humanitären NGOs, warum sie denn so eine "Berührungsangst" gegenüber der FPÖ haben. Vielleicht, weil der Kandidat der FPÖ für das höchste Amt, Norbert Hofer, rechtsextremen Code spricht? (Der Tag der Niederlage des Nazi-Regimes sei für ihn "kein Freudentag".)
In diese Richtung läuft es derzeit. Die politische Logik würde ein Gegenmodell zu Blau-Schwarz erfordern. Es könnte eine Wählerkoalition aus Sozialdemokraten, Grünen, Neos und liberalen Bürgerlichen (z. B. Griss-Wählern) sein. Um zu einer Regierungsmehrheit zu gelangen, müsste Kern für moderne Wirtschaftskompetenz in seinem Team sorgen, die Grünen müssten endlich erkennen, dass es ernst ist, und die Neos müssten ihre Attraktivität für liberale Bürger dramatisch verbessern. Die Frage ist, ob eine Mitte-links-Koalition gegen Rechtsaußen-Rechts möglich ist. Die Bundespräsidentenwahl wird den ersten Hinweis geben. (Hans Rauscher, 30.8.2016)