In Gedankenspielen der Notenbanken soll etwa sogenanntes Helicopter-Money die Bevölkerung zu mehr Konsum veranlassen. Gewagt hat dies bisher freilich noch keine.

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Wien – Der Dollar machte einen Satz nach oben, an den US-Aktien- und Anleihenmärkten waren lange Gesichter zu sehen. Seit dem jährlichen Stelldichein prominenter Notenbanker in Jackson Hole in der Vorwoche gilt es an den Finanzmärkten als so gut wie ausgemacht, dass Fed-Chefin Janet Yellen heuer die US-Zinsen nach oben schrauben wird. Offen bleibt nur der Zeitpunkt und ob es ein Zinsschritt oder gar zwei werden. Anhaltspunkte dafür sollten die nächsten Konjunkturdaten liefern, insbesondere der Jobmarktbericht am Freitag.

Obwohl die Ampel für ein baldiges Erhöhen der US-Leitzinsspanne von derzeit 0,25 bis 0,5 Prozent auf Grün steht, deuten Aussagen der Notenbanker darauf hin, dass diese Phase nicht lange anhalten dürfte. Charles Evans, Chef des Fed-Ablegers in Chicago, rechnet mit einem langfristig tiefen Zinsniveau. Er ist der Ansicht, dass das US-Wirtschaftswachstum wegen der alternden Bevölkerung und geringerer Produktivitätsgewinne dauerhaft nachgelassen habe. Diese Erwartungen seien auch in den Unternehmen und der Bevölkerung bereits so stark verankert, dass selbst eine restriktivere Geldpolitik die langfristigen Zinsen nicht substanziell nach oben treiben würde.

Abnehmende Glaubwürdigkeit

Darin liegt das Hauptproblem der Notenbanker: Sie können die Konjunktur- und Inflationserwartungen von Firmen und Verbrauchern kaum mehr beeinflussen. Die Folge ist eine anhaltende Flaute bei Investitionen und dem Konsum. "Wir erkunden, wie wir in einer Welt agieren, die ganz anders ist als vor der Krise", sagte Dennis Lockhart, Chef der Atlanta-Fed in Jackson Hole. In Anlehnung an Aldous Huxleys düsteren Zukunftsroman bezeichnete er die veränderten Rahmenbedingungen als "schöne neue Welt".

Während Yellen den derzeitigen Werkzeugkasten der Fed auch für den nächsten Wirtschaftsabschwung als ausreichend erachtet, schielen ihre Kollegen über den Tellerrand – beziehungsweise auf andere Währungsräume. Anders als in den USA wurden im Euroraum oder in der Schweiz Negativzinsen eingeführt, und die EZB hat zuletzt ein Kaufprogramm für Firmenanleihen installiert. Auch andere unkonventionelle Konzepte wie Helicopter-Money, das sind direkte Geldspritzen an die Bevölkerung, oder der Aufkauf von Aktien schweben durch den Raum.

Eidgenossen kaufen Aktien

Um die eigene Währung zu schwächen, greift die Schweizer Notenbank übrigens zu diesem Mittel und erwirbt Anteile an Unternehmen aus anderen Währungsräumen. Derzeit besteht ein Fünftel der 635 Milliarden Franken schweren Devisenreserven aus ausländischen Aktien.

Zuletzt hat besonders im Euroraum die Kritik an der ultralockeren Geldpolitik zugenommen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble warnte etwa vor negativen Folgen der EZB-Politik für die Altersvorsorge. Versicherer und Pensionsfonds können kaum mehr Renditen erzielen. Die Folge: Statt zu konsumieren, müssen Verbraucher mehr für den Lebensabend zur Seite legen. Und Europas Bankensektor weist seit langem darauf hin, dass ihm die EZB einen Spagat abverlange, der kaum gelingen könne: Immer strengere Kapitalvorschriften bei schmelzenden Zinsspannen würden dem Ziel einer höheren Kreditvergabe widersprechen.

Auch wenn kurzfristig alles für steigende US-Leitzinsen spricht, sollten sich Anleger angesichts der Äußerungen vieler Notenbanker mit dem Gedanken anfreunden, dass Zinsen auch auf lange Zeit sehr tief bleiben können. (Alexander Hahn, 4.9.2016)