Sie hüpften mit Sturmmasken über dem Gesicht aus den Booten. Sie feuerten unentwegt aus Maschinenpistolen auf unsichtbare Feinde. Ein Sonderpolizist saß sogar leger auf den Landeschienen eines Hubschraubers, während dieser über dem Fluss schwebte. Die gemeinsame Antiterrorübung von Polizisten aus Serbien und der bosnischen Republika Srpska (RS) wurde sogar im Fernsehen übertragen.
Wenn die Angelegenheit nicht politisch so brisant wäre, könnte man sie als sommerliche martialische Wahlkampfveranstaltung abtun. Doch die Szenen spielten sich vergangenes Wochenende an der Drina ab, dem Grenzfluss, der Serbien und Bosnien-Herzegowina trennt. Und wenn man den serbischen und den bosnisch-serbischen Politikern zuhörte, die zu dem Spektakel gekommen waren, konnte man meinen, dass es ihnen darum ging, symbolisch die Grenze zwischen Serbien und der RS aufzulösen.
In den Augen von RS-Präsident Milorad Dodik, der seit Jahren für die Abspaltung von Bosnien-Herzegowina eintritt, hat die Aktion gezeigt, dass es "keine Grenzen geben kann, weil der Terrorismus keine Grenzen kennt". Man habe Gemeinsamkeit gezeigt, wenn es darum gehe, gegen das Böse zu kämpfen, das die ganze Welt überziehe.
Serbiens Präsident Tomislav Nikolić sagte über die Zusammenarbeit zwischen Serbien und der RS, es gebe keine Aufgabe, die man "nicht gemeinsam lösen" könne. Das klingt in manchen Ohren gefährlich. Denn Nikolić kämpfte im Bosnien-Krieg (1992–1995) in einer Tschetnik-Einheit in Bosnien-Herzegowina. Die Tschetniks verfolgten damals das Ziel, das Land aufzuteilen und die RS an Serbien anzuschließen, um ein Großserbien zu schaffen.
Ein Versuchsballon für die Sezession
Die "Antiterrorübung" namens "Drina 2016" wurde deshalb im anderen bosnischen Landesteil, der Föderation, mit gemischten Gefühlen betrachtet. Jeder dort weiß, dass serbische und bosnisch-serbische Einheiten im Krieg gemeinsam gegen die bosnische Armee kämpften. Wenn in Bosnien Panzer auffahren, wird man automatisch an den Krieg erinnert, in dem 100.000 Menschen starben. Die Drina ist zudem ein hochsymbolischer Ort. Im Tal der Drina wurden 1992 und 1995 tausende Bosnier wegen ihren muslimischen Namen vertrieben und ermordet.
Ramiz Salkić, ein bosniakischer Politiker und Vizepräsident der RS, nannte die Antiterrorübung deshalb ein "Säbelrasseln", das die Beziehungen belaste. Das bosniakische Mitglied der bosnischen Präsidentschaft und der Chef der größten bosniakischen Partei SDA, Bakir Izetbegović, schrieb einen Brief an den OHR, dass das geplante Referendum ein Schlag gegen die Verfassung sei und ein "Versuchsballon" in der RS für die Sezession.
Eine Botschaft an die Nationalisten
Der Kriminologe Goran Kovačević sprach wiederum von einer "nationalistischen Wahlbotschaft". Tatsächlich finden am 2. Oktober in Bosnien-Herzegowina Lokalwahlen statt. Die RS ist pleite, die soziale Lage schlecht. Der starke Mann in Banja Luka setzt also wieder einmal auf Ethnonationalismus. Zudem will er am 25. September ein Referendum darüber abhalten, dass der Feiertag des Landesteils weiterhin am 9. Jänner abgehalten werden kann, obwohl das Verfassungsgericht das im Vorjahr untersagt hat. Der 9. Jänner ist ein orthodoxer Feiertag – Nichtorthodoxe, also Katholiken und Muslime in der RS, können sich damit nicht identifizieren. Der 9. Jänner 1992 ist für viele Bosniaken und Kroaten auch alles andere als ein Tag der positiven Erinnerungen. Die mehrheitlich von Serben besiedelte Region wurde damals als RS abgespalten. Es folgte der Krieg.
Der Analyst Srdjan Puhalo meint, dass es der RS bei der Antiterrorübung eigentlich darum gehe zu zeigen, dass sie "autonom ist und tun kann, was immer sie will". Tatsächlich provoziert Dodik seit vielen Jahren. Am Donnerstag fuhr er wieder nach Belgrad, um mit Serbiens Premier Aleksandar Vučić zu sprechen. Der Druck des Westens auf Vučić, Dodik zur Vernunft zu bringen, ist riesig.
"Kein echtes Land"
Die bosniakische Veteranenorganisation "Grüne Barette" hat indes angekündigt, ebenfalls eine Militärübung abhalten zu wollen. Und der bosnische Sicherheitsminister hat ein lang erwartetes Abkommen mit Europol zum Datenaustausch abgeschlossen.
Mitten im bosnischen Wahlkampf sind zusätzlich raue Töne aus dem anderen Nachbarland Kroatien zu hören. So gelangten aufgenommene Gespräche von Ex-Premier Zoran Milanović an die Öffentlichkeit, in denen dieser nicht nur über Serbien herzieht, sondern unter anderem meint: "Bosnien ist kein echtes Land ... man hat dort niemanden zum Reden." Milanović denkt in dem Gespräch auch über Konsequenzen nach, falls die RS sich tatsächlich von Bosnien-Herzegowina abspalten sollte. "Was werden wir dann tun? Wollen wir die Kroaten von Bosnien in einem Land mit den Bosniaken zurücklassen. Ich denke nicht ... Erinnert euch, dass wir es mit Verbrechern zu tun haben."
Kooperation mit "rechter österreichischer Partei"
Das klingt für viele in Bosnien-Herzegowina beängstigend. In den vergangenen Jahren traten nationalistische bosnische Kroaten dafür ein, in Bosnien-Herzegowina eine "dritte Entität" für Kroaten zu schaffen. Während des Krieges gab es bereits Bestrebungen, einen Teil Bosnien-Herzegowinas abzuspalten und an Kroatien anzuschließen. Milanović meinte zusätzlich in dem veröffentlichten Gespräch, dass Dodik mit einer österreichischen rechten Partei kooperiere, um sich die Stimmen der Serben in der Diaspora zu sichern, und im Gegenzug von den Rechten in Österreich Unterstützung dafür bekomme, die RS von Bosnien abzuspalten.
Nicht nur FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, sondern auch Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer pflegen tatsächlich Kontakte zu Dodik. Hofer sprach sich noch im vergangenen Herbst dafür aus, dass die RS über ihre Zukunft selbst bestimmen sollte. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 1.9.2016)