AfD-Spitzenmann Leif-Erik Holm, im Hintergrund Parteichefin Frauke Petry.

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Der SPD von Sigmar Gabriel wird es am Sonntag etwas besser gehen als Angela Merkels CDU.

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Der Strandpavillon in Zippendorf am Schweriner See könnte in der Abendsonne noch einmal für Urlaubsfeeling sorgen. Große Fenster, schöner Blick auf den Sandstrand und den blitzblauen See. Doch es ist warm und stickig, und dass die Stimmung bei den Vertretern des Schweriner Mittelstandes nicht die beste ist, zeigt sich gleich, als der Stargast des Abends erscheint.

Angela Merkel geht flott zur Bühne, der Applaus ist nur mäßig, dabei hat die CDU Mecklenburg-Vorpommern geladen. Dort sind die Menschen sehr direkt, sagt man. Wenige Schnörkel, einfach geradeheraus. Wolfgang Waldmüller jedenfalls macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Der CDU-Landtagsabgeordnete begrüßt Merkel kurz und fasst dann gleich einmal das Problem der CDU-Wahlkämpfer zusammen: "Wir stehen jeden Tag auf der Straße. Und welche Rolle spielt die Wirtschaftspolitik? Null! Welche die Landespolitik? Nahezu null!" Es gehe immer nur um Flüchtlinge und Sicherheit, sagt er – und es klingt ziemlich anklagend. Merkel nickt und schaut auch nicht eben froh drein.

Wenige Einwohner, viele Probleme

"Meck-Pomm" ist das nordöstlichste Bundesland Deutschlands und die politische Heimat Merkels. Sie hat auf der Insel Rügen ihren Bundestagswahlkreis. Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern nur wenige Menschen, dafür aber viele Seen, 2000 Kilometer Ostseeküste mit feinem weißem Sand und jede Menge ziegelrote Backsteingotik in Städten wie Schwerin, Wismar, Rostock oder Stralsund. Nach der Wende gehörte das Land mit seinen 1,6 Millionen Einwohnern lange zu den wirtschaftlichen Problemregionen Deutschlands; viele junge Leute zogen weg, weil sie keine Arbeit fanden.

Doch die Lage hat sich gebessert. Seit zehn Jahren macht das Land keine neuen Schulden mehr, die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit liegt zwar mit neun Prozent noch über dem Bundesschnitt, sinkt jedoch. In den vergangenen Jahren regierte der außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns weithin unbekannte Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) geräuschlos mit der CDU.

SPD auf Platz eins

Die Voraussetzungen dafür, dass im Nordosten am Sonntag eine wenig nervenaufreibende Wahl abläuft, wären also gegeben. Doch das Ergebnis dürfte alles andere als unspektakulär, sondern vor allem für Merkel höchst alarmierend werden. Umfragen sehen die SPD zwar wieder auf Platz eins, doch dahinter zeichnet sich eine Premiere ab, die in der Bundes-CDU schon vorab für Entsetzen sorgt: Das Insa-Institut sieht die Alternative für Deutschland (AfD) mit 23 Prozent erstmals vor der CDU.

Das liegt an der Unzufriedenheit mit Merkels Asylpolitik. Dabei leben in Mecklenburg-Vorpommern nicht viele Flüchtlinge, nur 22.000. In den Augen des ehemaligen Radiomoderators Leif-Erik Holm viel zu viele. "Wir stehen auf gegen die Bevormundung und werden dafür sorgen, dass in diesem Land endlich wieder jeder frei atmen kann", sagt der Spitzenkandidat der AfD, der sogar davon träumt, dass die AfD stärkste Kraft im Landtag wird.

Im Wahlkampf wurde er tatkräftig von AfD-Vize Alexander Gauland unterstützt, der im Nachbarland Brandenburg die AfD-Fraktion anführt. Warum die AfD in Umfragen so gut abschneidet, obwohl es in Mecklenburg-Vorpommern wenige Flüchtlinge gibt und der Ausländeranteil gering ist, erklärt er so: "Die Menschen sehen ja fern und spüren, dass da eine Bedrohung ihrer Heimat ist." Schuld daran sei Merkel, die "in einem Akt von Wahnsinn" die Grenzen geöffnet habe.

Konzept gegen die AfD

Die derart Gescholtene wird derweil im Strandpavillon auch sehr viel nach der AfD gefragt. "Es macht mir Angst, was am Sonntag auf uns zukommt", sagt ein Ar chitekt aus Schwerin und erkundigt sich bei Merkel, ob es "ein Konzept in der CDU gibt, damit der Umgang mit der AfD ein anderer wird". Ihre Antwort: "Wir müssen um Wähler kämpfen, ohne un sere Kernprogrammatik aufzugeben." Also weiterhin gegen Fremdenhass auftreten. Da könne man "keine Kompromisse machen". Und sie verweist auf die Republikaner, die von 1992 bis 2001 im Landtag von Baden-Württemberg saßen. Heute seien sie kein Thema mehr.

Apropos: Die rechtsextreme NPD wird am Sonntag nach zwei Perioden wahrscheinlich aus dem Landtag fliegen. Doch die Freude darüber dürfte sich bei den anderen Parteien in Grenzen halten. Denn viele NPD-Stimmen wandern jetzt zur AfD. (Birgit Baumann aus Schwerin, 4.9.2016)