Priština/Sarajevo – Die Geschichte der Stämme, die im Kosovo, in Montenegro und in Nordalbanien lebten, ist voll von Grenzstreitigkeiten. Meistens ging es in früheren Zeiten um Weideland, immer aber um Machtdemonstrationen. Das zumindest ist gleichgeblieben. Gestern, Donnerstag, sollte das kosovarische Parlament endlich über das Grenzabkommen mit Montenegro abstimmen, das bereits vor mehr als einem Jahr ausverhandelt worden war.

Doch die Serbische Liste – eine Partei der Minderheit der Serben im Kosovo – nutzte die Gunst der Stunde, um eigene Forderungen ins Spiel zu bringen. Denn ohne die Srpska Lista haben die Regierungsparteien PDK und LDK nicht ausreichend Stimmen, um das Grenzabkommen zu verabschieden, weil auch einige ihrer eigenen Abgeordneten dagegen sind. Premierminister Isa Mustafa musste also die Abstimmung über das Gesetz zurückziehen. Er meinte jedoch, dass die Forderungen der Srpska Lista der Verfassung widersprechen würden.

Regelung der Telefonie

Angeblich ging es dabei auch darum, dass die Telekom Serbien im Kosovo in größerem Umfang aktiv bleiben sollte. Die Regelung der Telefonie ist Gegenstand des Dialogs zwischen dem Kosovo und Serbien. 80 der 120 Abgeordneten müssten jedenfalls einer Ratifizierung des Grenzabkommens zustimmen. Die Srpska Lista verfügt über elf Mandate. Sie argumentierte am Donnerstag, dass sie "aus Sicherheitsgründen" nicht mitmachen wolle.

Der Abstimmung wird seit langem entgegengefiebert. Denn die Opposition macht seit Monaten gegen das Abkommen mobil. Sie boykottierte zahlreiche Parlamentssitzungen mit Tränengas attacken. Offiziell behaupten die Parteien Nisma, Vetëvendosje und AAK, dass der Kosovo durch das Abkommen Land verlieren würde. Am Donnerstag sammelten sich Oppositionsanhänger und protestierten mit Sprechchören vor dem Parlament.

Im Vorfeld wurden etwa fünfzig Rucksäcke mit Molotowcocktails und Steinen konfisziert. Vor zwei Tagen wurden sechs Mitglieder der Vetëvendosje verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, am 4. August einen Anschlag auf das Parlament durchgeführt zu haben. (Adelheid Wölfl, 2.9.2016)