Wien – Im 18. Jahrhundert wurden in der Habsburgermonarchie systematische Kontrollen an der Grenze zum Osmanischen Reich eingeführt. Mit ersten Maßnahmen zur Grenzsicherung und Migrationskontrolle wurde hier die "erste moderne Grenze" geschaffen und die Basis für einer gesamtstaatliche Migrationspolitik gelegt, zeigten Historiker der Uni Wien im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts.

Warum die erste moderne Grenze gerade in diesem wirtschaftlich peripheren Raum entstand, fragte sich ein Forscherteam um den emeritierten Historiker Josef Ehmer von der Universität Wien. Die Erklärung fanden sie in der Überlagerung militärischer, medizinischer und ökonomischer Faktoren.

Nach dem sogenannten Großen Türkenkrieg (1683-1699) wurde mit dem Frieden von Karlowitz eine klare Grenzziehung zwischen dem Habsburger- und dem Osmanischen Reich vorgenommen. Nach dem russisch-österreichischem Türkenkrieg kam es 1739 im Zuge des Belgrader Friedens schließlich zur Klärung von Territorialansprüchen. "Wurde zuvor grenzüberschreitende Gewalt noch toleriert, ermöglichte das Friedensabkommen die Errichtung eine stabile Grenze zwischen dem Osmanischen und dem Habsburgerreich", so Projektmitarbeiter Jovan Pesalj.

Bürokratie und Quarantäne

Die Agenden für Grenzkontrollen wurden von regionaler auf die staatliche Zentralebene verlagert und die Kontrollen systematisiert. "Diese Schritte im Habsburgerreich nahmen nationalstaatliche Praktiken des 19. Jahrhunderts wie jene Frankreichs vorweg", sagte Ehmer.

Im Zuge der Modifikation der Militärgrenze wurde auch ein permanenter "Seuchenkordon" mit Quarantänestationen eingerichtet. Deren Zahl stieg laut Pesalj von zwölf Stationen in den 1740er Jahren auf 20 nach der Annexion der Bukowina (1775) und sank dann wieder auf 17 Stationen im frühen 19. Jahrhundert. Die Aufzeichnungen dieser Stationen ermöglichten den Historikern, die Entwicklung der Immigrations- und Einfuhrkontrollen zu analysieren.

"Neben ständig besetzten Wachtürmen, die untereinander Blickkontakt hielten, wurden Grenzübertrittsstellen mit Quarantänestationen errichtet. Über Ein- und Ausreisende wurden Protokolle für die Sanitätskommission und die österreichische Hofregistratur geführt" schilderte Ehmer die strikten Kontrollen entlang der befestigten Militärgrenze.

Eine mittelgroße Quarantänestation wie Mehadia im Banat nahm jährlich durchschnittlich 516 Personen auf und bestand aus 26 Gebäudeeinheiten mit Quarantäne-Wohnungen, Büros, Lagern, Stallungen und einem Wirtshaus. Reisende wurden dort mindestens zwei bis drei Wochen festgehalten, bei Pestgefährdung auch länger. "Die Kleidung und mitgeführte Waren wurden gewaschen und geräuchert, um giftige Ausdünstungen zu beseitigen, in denen man Pesterreger vermutete", beschreibt der Historiker das strenge System. Mitgeführte Tiere wurden zur Reinigung durch Flüsse getrieben.

Überwachung und Einbürgerung

Es gab aber auch ökonomische Gründe für die strengen Grenzkontrollen: Viele Osmanen waren Händler und mussten an der Grenze Zoll für ihre Waren zahlen.

Das Projekt zeigte auch, dass die Grenzkontrollen den Habsburgern die Überwachung der Einreisenden, ihre Niederlassung und Mobilität innerhalb der Monarchie, erleichterte. Dazu dienten auch schon Reisedokumente wie Pässe, die im 18. Jahrhundert aber noch sehr uneinheitlich waren.

Die habsburgische Bevölkerungspolitik war damals sehr einwanderungsfreundlich, bedeutete dies doch neue Steuerzahler, wie Pesalj betonte. Besonders interessiert seien die Behörden an wohlhabenden osmanischen Kaufleuten gewesen: Ab 1768 wurde auf diese der Druck erhöht, etwa unter der Androhung, ihre Zulassung zu verlieren, wenn sie sich nach einem Jahr nicht einbürgerten.

Effiziente Steuerung

Hinweise auf Widerstand gegen osmanische Zuwanderer fanden die Historiker keine, allerdings hatte die lokale Bevölkerung zu dieser Zeit auch nicht viel zu sagen. In den Provinzen entlang der habsburgisch-osmanischen Grenze habe es genug Platz für die Einwanderer gegeben, die zudem oft die gleiche Sprache und Religion wie die ansässige Bevölkerung hatten, so Pesalj.

In den 1760er Jahren wanderten jährlich rund 10.000 Personen über die Quarantänestationen in die Monarchie ein. Wie viele von diesen Immigranten eingebürgert wurden oder wieder zurückgingen, sei unbekannt.

Für die Historiker könnten die Erkenntnisse des Projekts zur Differenzierung aktueller politisch-gesellschaftlicher Diskussionen zur Bevölkerungspolitik und Migrationskontrolle beitragen. Pesalj: "Es zeigte sich, dass Migrationskontrollen speziell an Grenzen eine viele längere Geschichte als gemeinhin angenommen haben, dass Staaten, die vergleichsweise schwächer waren als moderne Länder, effizient Migrationen steuern konnten und schließlich, dass diese Migrationskontrolle nicht unbedingt darauf beschränkt sein muss, Einwanderung einzudämmen, sondern diese auch fördern kann." (APA, red, 4. 9. 2016)