Ankara – Die türkischen Behörden haben der Ehefrau des ehemaligen Chefredakteurs der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet" die Ausreise aus der Türkei verwehrt. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, die Polizei am Istanbuler Atatürk-Flughafen habe den Reisepass von Dilek Dündar eingezogen, als sie am Samstag nach Berlin habe fliegen wollen.

Dilek Dündar habe den Flughafen daraufhin wieder verlassen. Der Ex-Chefredakteur Can Dündar kritisierte auf Twitter: "Sie haben meine Frau als Geisel genommen." Der Journalist, der sich aus Furcht vor Verfolgung durch die türkischen Behörden in Europa aufhält, sprach vom "Gesetz des Dschungels", das in seiner Heimat herrsche.

"Cumhuriyet" berichtete am Samstag, Dilek Dündars Reisepass sei von der Polizei am 22. August für ungültig erklärt worden. Can Dündar hatte einige Tage zuvor während einer Europareise mitgeteilt, er trete von seinem Posten als Chefredakteur zurück und werde nicht in die Türkei zurückkehren, solange der dort nach dem Putschversuch verhängte Ausnahmezustand gelte. Als Grund nannte er unter anderem, dass er das Vertrauen in die türkische Justiz verloren habe.

"Rachsüchtig und gesetzlos"

Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) forderte die türkischen Behörden auf, Dilek Dündar ihren Pass zurückzugeben und ihr Reisefreiheit zu gewähren. "Das heutige Vorgehen gegen Dilek Dündar ist eine klare Vergeltung für die journalistische Arbeit ihres Ehemannes. Die Familie Dündar kollektiv zu bestrafen lässt die türkischen Behörden kleinlich, rachsüchtig und gesetzlos erscheinen."

Can Dündar sagte CPJ, das Vorgehen gegen seine Ehefrau sei "ein Beispiel für die autoritäre Herrschaft in der Türkei". Nach seiner Kenntnis werde seiner Ehefrau keine Straftat vorgeworfen. Can Dündar gehört zu den diesjährigen Preisträgern des International Press Freedom Awards, der Auszeichnung des CPJ für besondere Verdienste zur Pressefreiheit.

Dündar und der Hauptstadtbüroleiter der "Cumhuriyet", Erdem Gül, waren im Mai zu fünf Jahren und zehn Monaten beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt worden. Sie wurden für schuldig befunden, geheime Dokumente veröffentlicht zu haben, die türkische Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien 2015 belegen sollen. (APA, 4.9.2016)