Josef Pühringer warnt die Bundesregierung vor einem Winterschlaf: "Der kommende Herbst, der Winter und das Frühjahr 2017 sind die absoluten Leistungsphasen. Da muss was weitergehen."

FotoAlexander Schwarzl

STANDARD: In der ÖVP scheint man bereits wieder mitten in einer Obmanndebatte zu stecken. Haben Sie schon Angst um die oberösterreichische Vormachtstellung in der Bundespartei?

Pühringer: Es geht doch überhaupt nicht um eine Vormachtstellung eines Bundeslandes. Wir haben mit Reinhold Mitterlehner einen Bundesparteiobmann, der meine und unsere Unterstützung hat.

STANDARD: Trotzdem hat man den Eindruck, dass Mitterlehner für viele in der ÖVP nicht mehr der richtige ÖVP-Chef ist. Ist seine Zeit an der schwarzen Parteispitze nicht längst abgelaufen?

Pühringer: Mitterlehner ist ein guter Parteiobmann. Und er hat die volle Unterstützung der oberösterreichischen ÖVP.

STANDARD: Davon war auszugehen. Aber wenn ein Parteichef schon offiziell betonen muss, noch "ausgesprochen motiviert" zu sein – so wie Mittelehner es jüngst getan hat -, ist doch der Zug schon fast abgefahren, oder?

Pühringer: Das ist doch bitte überhaupt kein schlechtes Zeichen, wenn in einer Situation, in der die Medien eine sehr breite Berichterstattung über den Herrn Bundesparteiobmann entfacht haben, dieser deutlich macht, dass er motiviert und engagiert für dieses Land arbeitet. Denn offensichtlich sehen das nicht alle.

STANDARD: Damit ist für Sie auch klar, dass Mitterlehner als Spitzenkandidat in die nächste Wahl gehen soll, oder?

Pühringer: Davon gehe ich aus.

STANDARD: In einem Interview 2014 haben Sie mir gesagt, Sebastian Kurz könne "mit seinem Alter in der ÖVP noch alles werden". Ist die Zeit jetzt reif für die Parteiübernahme?

Pühringer: Ich stehe auch heute noch zu diesem Zitat. Ich schließe mich da der Aussage meines Freundes Hermann Schützenhöfer an: Sebastian Kurz ist ein 'Trumpf-Ass'. Wann man das ausspielt, muss man sich sehr gut überlegen.

STANDARD: Glauben Sie, dass Mitterlehner erfreut ist, wenn politische Schwergewichte in der Partei wie Schützenhöfer und Sie die entscheidenden Karten nicht in den Händen des Parteiobmanns sehen?

Pühringer: Sie brauchen mir jetzt aber wirklich nicht zu unterstellen, dass ich vielleicht hier unseren Bundesparteichef öffentlich demütige. Das tue ich nämlich sicher nicht. Und: Ist es schlecht, wenn wir mehrere Persönlichkeiten in der ÖVP haben, die für Spitzenpositionen geeignet sind?

STANDARD: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es von einer Obmanndiskussion zu einem Obmannwechsel meist nicht weit ist ...

Pühringer: ... es gibt aktuell keine Obmanndebatte in der ÖVP.

STANDARD: Wie würden Sie die Stimmung in der ÖVP beschreiben?

Pühringer: Die Stimmung ist natürlich situationsbezogen. Wir alle wissen, dass die FPÖ zulegt. Aber nicht durch die Leistungen, die die FPÖ erbringt, sondern weil es eben Kritik und Frust an den regierenden Großparteien gibt. Den Menschen geht zu wenig weiter. Daher gibt's nur eines: Die Regierung kann nur durch Leistung überzeugen. Der kommende Herbst, der Winter und das Frühjahr 2017 sind die absoluten Leistungsphasen. Da muss was weitergehen. Da darf sehr wenig oder besser gar nicht gestritten werden.

STANDARD: Und wenn sich die Regierung entschließt, sich zum Winterschlaf zurückzuziehen?

Pühringer: Dann wäre das katastrophal. Es geht jetzt darum, den Frust der Bürger zu beseitigen.

STANDARD: Was muss sich in der ÖVP ändern?

Pühringer: Wir müssen unser Profil schärfen. Wir müssen deutlich machen, dass wir die Partei sind, die am meisten vom Wirtschaften versteht und den sorgsamsten Umgang mit Steuergeldern garantiert. Wir müssen Duftmarken setzen. Es muss der Bürger wissen, warum er ÖVP wählt und wofür dieses Partei steht.

STANDARD:Wer hält eigentlich in der oberösterreichischen ÖVP das Zepter in der Hand?

Pühringer: Ich bin Parteiobmann, und Sie können mir zutrauen, dass ich die Partei im Griff habe.

STANDARD: Diesen Eindruck hatten aber viele zuletzt nicht. Etwa beim öffentlich ausgetragenen Streit zwischen den ÖVP-Landesräten Thomas Stelzer und Michael Strugl um die künftige Hoheit über das prestigeträchtige Finanzressort.

Pühringer: Es hat keinen öffentlichen Streit gegeben. Und eine Meinungsverschiedenheit in der Partei ist legitim. Wir sind aber so gut, dass wir das Thema sachlich klären können. Und zwar so, dass keine Scherben zurückbleiben. Eines garantiere ich Ihnen: Wer mit einer zerstrittenen ÖVP Oberösterreich rechnet, der verrechnet sich gewaltig.

STANDARD: Zumindest hat man sich die kontroversiellen Standpunkte nicht hinter verschlossenen Türen, sondern über die Medien ausgerichtet – also durchaus öffentlich. Politische Beobachter meinen, vor wenigen Jahren wäre so eine Diskussion unmöglich gewesen, da hätte ein Machtwort von Ihnen genügt, um den christlich-sozialen Frieden wiederherzustellen.

Pühringer: Ich lasse mir doch von Ihnen nicht sagen, ich hätte meine Partei nicht mehr im Griff. Die beiden haben die Diskussion nicht über die Medien geführt, die Diskussion wurde von den Medien geführt.

STANDARD: Aber natürlich muss sich jetzt die zweite Reihe in Stellung bringen, nachdem Sie ja angekündigt haben, nicht mehr die volle Legislaturperiode im Amt bleiben zu wollen, oder?

Pühringer: Ich habe den Rücktritt nicht für die nächste Zeit vor.

STANDARD: Wie fällt denn eigentlich Ihre Bilanz nach fast einem Jahr Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ aus?

Pühringer: Die Zusammenarbeit ist korrekt. Wir arbeiten konsequent das Programm ab und führen Reformen – etwa die Kürzung der Mindestsicherung – durch.

STANDARD: Sie mussten sich im Zuge der Mindestsicherungskürzung anhören, dass das "Oberösterreich-Klima" in der Politik dahin und es sozial kälter geworden sei.

Pühringer: Wenn Sie mir jetzt unsoziales Verhalten unterstellen, dann ist das unfair. Es muss einen spürbaren Unterschied geben zwischen denen, die 40 Stunden arbeiten, und denen, die nur Transferleistungen kriegen. (Markus Rohrhofer, 5.9.2016)