Raman Mehrzad: "Von den Schülern wird erwartet, dass sie schon wissen, wie man richtig lernt."

Foto: Karl Dominey

STANDARD: In Ihrem Ratgeber für mehr Lernerfolg sagen Sie, dass es jeder schaffen kann, nur Einser im Zeugnis zu haben. Was ist, wenn von Lehrern oder Eltern keine Unterstützung kommt?

Mehrzad: Man kann nicht ändern, dass es schlechte und gute Schulen und Lehrer gibt. So ist das Leben, die Umgebung ist nicht immer die beste. Man selbst entscheidet, was man daraus macht. Einer meiner Mentoren hat zu mir gesagt: Es geht nicht um die Karten, die du bekommst, sondern darum, wie du sie ausspielst. Alles fällt auf dich selbst zurück.

STANDARD: Sie empfehlen, darauf zu verzichten, Freunde zu treffen oder Computer zu spielen, um in der Schule Erfolg zu haben. Sollten Kinder nicht auch Spaß haben?

Mehrzad: Natürlich. Auch ich habe während meiner Schulzeit Freunde getroffen, war auf Partys. Trotzdem hatte ich gute Noten. Ich sage nicht, das ist ein Muss für alle, aber sehr wohl für jene, für die es nötig ist, damit sie ihre Ziele erreichen. Kurzfristig ist das vielleicht hart, aber langfristig zahlt es sich aus.

STANDARD: Was sind die häufigsten Fehler, die Schüler beim Lernen machen?

Mehrzad: Das größte Problem der Schulen in den Ländern, die ich bisher besucht habe, ist, dass von den Schülern erwartet wird, dass sie schon wissen, wie man richtig lernt. Vor der ersten Autofahrt bekommt man ja auch nicht einfach den Schlüssel vom Papa überreicht, und er sagt: So, jetzt fahr. Schüler wissen nicht, wie sie planen und Prioritäten setzen sollen. Sie müssen viele verschiedene Fächer lernen. Das wird manchmal so überwältigend, dass sie aufgeben.

STANDARD: Ihre Eltern sind aus dem Iran nach Schweden geflüchtet, als Sie zwei Jahre alt waren. Wie war es für Sie, als Flüchtling in die Schule zu kommen?

Mehrzad: Sehr schwer. Wir sind vor dem Golfkrieg geflüchtet. Als wir in Schweden angekommen sind, haben wir für zwei Jahre in einem Camp gelebt. Es gab keinen Unterricht, wir hatten nur Kontakt mit anderen Flüchtlingen. Ich war fünf Jahre alt, als wir in eine Wohnung in der Stadt gezogen sind. Ich wusste, dass ich doppelt so hart kämpfen muss wie ein durchschnittlicher Schwede, weil ich zuerst die Sprache und dann den Inhalt lernen musste. Ich habe es geschafft. Es hat mir sehr geholfen, dass ich mich schon früh damit auseinandergesetzt habe, wie man richtig lernt.

STANDARD: Haben Sie Ihre Eltern unterstützt?

Mehrzad: So gut es ging. Sie waren nicht sehr involviert in meine Schulkarriere. Wir hatten kaum Geld, meine Eltern hatten keine Ausbildung. Es war schwer für sie, einen Job zu finden. Sie hatten also viele Stressfaktoren in ihrem Leben, sodass sie sich nicht wirklich darum kümmern konnten, was ich gemacht habe. Sie haben immer gesagt, ich soll meinen Leidenschaften nachgehen.Wenn es Abwaschen ist, ist das genauso okay, wie wenn ich Sänger oder Arzt werden will.

STANDARD: In Österreich wird darüber diskutiert, ob es sinnvoller ist, Flüchtlingen zuerst Deutsch in eigenen Klassen zu lehren, oder ob sie gleich die regulären Klassen besuchen sollen. Wie sehen Sie das?

Mehrzad: Ich glaube, es bringt nicht viel, wenn man Flüchtlingskinder zusammen in einer Klasse für eine Stunde pro Tag unterrichtet. Wenn man sie in eine Umgebung bringt, in der sie mehrere Stunden pro Tag Deutsch hören und auch sprechen müssen, dann ist das am besten.

STANDARD: Trotzdem bekommen sie ohne Deutschkenntnisse dann nichts vom Chemieunterricht mit.

Mehrzad: Wenn es darum geht, die Sprache zu lernen, ist das trotzdem gut. Die Schüler werden mit der Sprache in verschiedenen Fächern und in mehreren Lehrbüchern konfrontiert und müssen sich damit auseinandersetzen.

STANDARD: Was würden Sie einem syrischen Flüchtlingskind empfehlen, das sich als Ziel setzt, nur Einser im Zeugnis zu haben?

Mehrzad: Das Wichtigste ist, die Sprache zu lernen. Zweitens sollten sie sich selbst motivieren und daran glauben, dass sie es schaffen. Wenn man seine Ziele wirklich erreichen will, findet man immer einen Weg, auch wenn er nicht leicht ist und man vielleicht früh aufstehen und auch am Wochenende lernen muss. (Lisa Kogelnik, 5.9.2016)