100.000 Menschen pilgerten zum Petersplatz, um bei der Heiligsprechung Mutter Teresas anwesend zu sein. Die Ordensschwester wurde schon zu Lebzeiten als Heilige verehrt.

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"Mutter Teresa hatte sich über die Erschöpften gebeugt, die man am Straßenrand sterben ließ, weil sie die Würde erkannte, die Gott ihnen verliehen hatte", erklärte der Papst bei der Heiligsprechungszeremonie auf dem Petersplatz. Gleichzeitig habe sie vor den Mächtigen der Welt ihre Stimme erhoben, "damit diese angesichts des Verbrechens der Armut, das sie selbst geschaffen hatten, ihre Schuld erkennen sollten". Franziskus nannte die im Jahr 1997 Verstorbene eine "beispielhafte Gestalt einer Frau und einer gottgeweihten Person": Ihre Mission in den Randzonen der Städte und jenen des Lebens bleibe auch heute "ein beredtes Zeugnis für die Nähe Gottes zu den Ärmsten der Armen".

Zur Heiligsprechung unter dem strahlend blauen Spätsommerhimmel in Rom sind nach Angaben der Behörden weit mehr als hunderttausend Gläubige geströmt, außerdem 13 Staats- und Regierungschefs. Unter den Anwesenden befanden sich auch zahlreiche Muslime aus Albanien, die ihrer berühmten Landsfrau die Ehre erweisen wollten. Die vordersten Reihen bei der Zeremonie waren für einige hundert Schwestern des von Mutter Teresa gegründeten Ordens der Missionarinnen der Barmherzigkeit reserviert. Papst Franziskus verlas die Heiligsprechungsformel in Latein; noch ehe er zu Ende gesprochen hatte, brandete auf dem Petersplatz Applaus auf. Die Zeremonie wurde dabei von mehr als 1000 Polizisten gesichert und von über 120 Fernsehanstalten in die ganze Welt übertragen.

Heilige zu Lebzeiten

Mutter Teresa von Kalkutta, die für viele Menschen schon zu Lebzeiten als Heilige galt, kann nun, knapp 20 Jahre nach ihrem Tod, in der katholischen Kirche auch offiziell als Heilige verehrt werden. Sie soll jedoch auch nach der Heiligsprechung einfach Mutter Teresa heißen, schlug der Papst den Gläubigen vor: "Mir käme es ungewöhnlich vor, sie nun ‚Heilige Teresa‘ zu nennen."

Die Heiligsprechung war eine der schnellsten in der jüngeren Kirchengeschichte: Zwei Jahre nach ihrem Tod leitete ihr Freund und Förderer Johannes Paul II. das Verfahren zur Seligsprechung ein, die vier Jahre später vor 300.000 Gläubigen in Rom vollzogen wurde. Ende 2015 erkannte Franziskus das für die Heiligsprechung nötige zweite Wunder an, womit der Weg zur Zeremonie frei war.

Die Heiligsprechung von Mutter Teresa zählte nicht nur zu den bisher größten Papstmessen des Pontifikats von Jorge Bergoglio, sondern war zugleich auch der Höhepunkt des "Jahrs der Barmherzigkeit", das im vergangenen Dezember begonnen hatte. Eine bessere Symbolfigur für das Jubiläum hätte der Vatikan kaum finden können: Die im Jahr 1910 geborene, albanischstämmige Mutter Teresa, die bürgerlich Agnes Gonxha Bojaxhiu hieß, hatte sich jahrzehntelang um die Armen und Sterbenden in den Slums von Kalkutta gekümmert und war zu einer weltweit bekannten Ikone der Nächstenliebe geworden.

Kritik am Wirken Mutter Teresas

Vereinzelt ist in den vergangenen Jahren aber auch Kritik am Wirken der nun Heiligen geäußert worden. Bemängelt wurden etwa die hygienischen Zustände in den Hospizen der Missionarinnen der Barmherzigkeit, aber auch die teilweise schlechte medizinische Versorgung. Gelegentlich hätten die Patienten etwa nicht einmal Schmerzmittel erhalten, obwohl solche vorhanden gewesen seien. Mutter Teresa habe in ihren Einrichtungen einen "Leidenskult" betrieben; sie habe nicht die Armen, sondern die Armut geliebt. Der Vatikan hat die Kritik während des ganzen Kanonisierungsverfahrens ausgeblendet.

Dafür hat Papst Franziskus am Sonntag einmal mehr seinen ausgeprägten Sinn für unkonventionelle und kreative Gesten unter Beweis gestellt: Nach der Messe auf dem Petersplatz lud er 1.500 Arme in die nach Papst Paul VI. benannte große vatikanische Audienzhalle zu einer Pizza Napolitana ein. Die Mittagsgäste stammen aus Obdachlosenheimen der Missionarinnen der Barmherzigkeit in Italien; 250 Mutter-Teresa-Schwestern servierten – unterstützt von 50 Brüdern des männlichen Ordenszweigs – das Essen. (Dominik Straub, 4.9.2016)