Julian Baumgartlinger, der neue Kapitän, erfreut sich am Willen der Kollegen, am Zusammenhalt und der Gier nach Erfolgen.

Foto: apa/jäger

Julian Baumgartlinger hat die Rolle angenommen. Da saß der frisch gekürte Kapitän der österreichischen Fußballnationalmannschaft Sonntagmittag im Pressezentrum des Boris-Paitschadse-Nationalstadions in Tiflis. Die Klimaanlage hatte den nicht gerade heimeligen Raum auf gefühlte drei Grad plus abgekühlt, ein reguläres Skispringen wäre unmöglich gewesen – zu viel Wind. Teamchef Marcel Koller hat den 28-jährigen Baumgartlinger begleitet, er kennt das Szenario seit fast fünf Jahren. Ein neues Kapitel wird am Montag um 18 Uhr (Livebericht auf derStandard.at) aufgeschlagen, die Qualifikation für die WM 2018 in Russland beginnt, logischerweise ist Georgien der Gegner, sonst hätten sie ja nicht in Tiflis gefroren.

Baumgartlinger, der ein Einstandsessen ohne Beisein des Betreuerstabs brennen musste, schwärmte über die Intensität der Trainingswoche, den Willen seiner Kollegen, den Zusammenhalt, die Gier nach Erfolgen.

Auf dem Weg zur Konstanz

Marc Janko, er ist der Ersatzkapitän, hatte noch in Wien erklärt, Österreich zähle sicher nicht zu den Großen im globalen Fußball, um in den Kreis der absoluten Elite vorzudringen, müssten viele Kleinigkeiten verbessert werden. Baumgartlinger stimmte dem zu: "Die wirklich Großen qualifizieren sich dauernd, sind konstant. Wir sind erst auf dem Weg, größer zu werden." Das Wachstum wurde in Frankreich abrupt gestoppt, die EM glich einem Schrumpfungsprozess. Georgien soll nun der Start zur Schubumkehr sein. Baumgartlinger: "Das Rezept ist, nicht so viel anders zu machen. Wir brauchen keinen Aktionismus, müssen kompakt stehen, die Balance zwischen Offensive und Defensive finden, effektiv sein. So kehren wir zurück in die Erfolgsspur. Wir haben viel miteinander gesprochen, das ist zwar noch keine Garantie, Georgien zu schlagen, aber es war wichtig."

Koller ging einen Schritt weiter: "Eine neue Ära beginnt. Im Training war richtig Zug drinnen." Frankreich müsse abgehakt werden, im Fußball zählten ausschließlich Gegenwart und Zukunft. "Wir haben Fußball nicht verlernt. Eine gewisse Form der Genügsamkeit wurde abgestellt." Koller wird dem üblichen Personal vertrauen, Markus Suttner ersetzt wohl den zurückgetretenen Christian Fuchs als linken Verteidiger. Die Aufstellung hat der Teamchef natürlich nicht verraten, alles wie gehabt. Rechts in der Offensive bieten sich einige an, Martin Harnik, Marcel Sabitzer, Louis Schaub sind die Kandidaten. Oder auch Alessandro Schöpf, der in Frankreich als Joker gezaubert hatte. Die Wahl könnte auf Sabitzer fallen.

Dreimal Weltklasse

Allerdings hat Georgiens Teamchef, der Slowake Vladimir Weiss, Harnik als "Weltklasse" bezeichnet (Marko Arnautovic und David Alaba bekamen ebenfalls dieses Prädikat verliehen), was wiederum Koller wurscht sein dürfte. Aber es ist ein schönes Kompliment für Harnik, der in der zweiten deutschen Liga bei Hannover 96, einem Verein der Mittelklasse, engagiert ist.

Georgien ist die Nummer 118, Österreich die 22, das sind schnöde Zahlen, die wahre Rangordnung wird immer auf dem Platz geklärt. Alles wie gehabt. Es werden rund 40.000 Zuschauer erwartet, darunter 200 Österreicher, sie werden eher nicht zu hören sein. Einige georgische Spieler bezeichneten die Gästeauswahl als Außenseiter. Koller und Baumgartlinger lachten nicht darüber und weinten deshalb auch nicht, sie beließen es bei der Feststellung: "Egal. Natürlich wird es extrem schwierig. Wir gehen in jedes Spiel mit der Einstellung, es gewinnen zu wollen." Georgien hat im Juni in Spanien in aller Freundschaft 1:0 gesiegt, davon wird man noch in Jahrzehnten schwärmen. Gegen Österreich fehlen einige Stammkräfte.

Die Gruppe D wird laut Weiss eine enge Angelegenheit, Favoriten könne er keinen ausmachen. Wales, Irland, Österreich und Serbien seien höher einzustufen als die Republik Moldau und Georgien. "Wir machen mit, um zu überraschen. Jeder kleine Erfolg ist ein großer Schritt für Georgien. Wir haben Respekt vor Österreich, keine Angst." Baumgartlinger macht übrigens mit, "um 2018 nach Russland zu fahren". (Christian Hackl, 4.9.2016)

WM-Qualifikation, Gruppe D, 1. Runde, Montag

Georgien – Österreich
Tiflis, Boris Paichadze Dinamo Arena, 18 Uhr MESZ (live ORF 1), SR Alexej Kulbakow (BLR)

Mögliche Aufstellungen:

Georgien: Revishvili (Mordowja Saransk/RUS/32 Länderspiele) – Lobzhanidze (Dinamo Tiflis/47/1 Tor), Kverkvelia (Rubin Kasan/15), Amisulashvili (Dinamo Tiflis/47/4), Navalovski (Veria/GRE/13) – Jighauri (Dinamo Tiflis/2), Kobakhidze (Worskla Poltawa/UKR/32/3), Okriashvili (vereinslos/29/7), Kashia (Vitesse Arnheim/45/1), Dvalishvili (Dinamo Tiflis/34/5) – Martsvaladze (Ordabasy/KAZ/21/2)

Ersatz: Loria (Krilja Sowetow/RUS/34), Kvaskhvadze (Torpedo Kutaisi/3), Makaridze (Moreirense/POR/5) – Kakabadze (Gimnastic/ESP/4), Dvali (Slask Wroclaw/POL/4), Khocholava (Tschornomorez Odessa/UKR/0), Kvekveskiri (Qabala/AZE/4), Daushvili (Diosgyör/HUN/27), Ananidze (Spartak Moskau/31/3), Kenia (Slavia Prag/CZE/29/4), Kazaishvili (Vitesse Arnheim/NED/15/3), Chanturia (Ural Jekaterinburg/RUS/11/2), Papunashvili (Dinamo Tiflis/3), Tsiskaridze (FK Teplice/CZE/2), Skhirtladze (Silkeborg/DEN/0)

Österreich: Almer (Austria/31) – Klein (Stuttgart/40/0), Dragovic (Leverkusen/49/1), Hinteregger (Augsburg/17/0), Suttner (Ingolstadt/16/0) – Baumgartlinger (Leverkusen/48/1), Alaba (Bayern/49/11) – Sabitzer (Leipzig/21/3), Junuzovic (Bremen/49/7), Arnautovic (Stoke/55/10) – Janko (Basel/56/26)

Ersatz: Lukse (Altach/0), Özcan (Leverkusen/7) – Prödl (Watford59/4), Stangl (Salzburg/0), Wimmer (Tottenham, 4/0), Harnik (Hannover, 60/14), Ilsanker (Leipzig, 18/0), Lazaro (Salzburg/4/0), Schaub (Rapid/0), Schöpf (Schalke/7/2), Gregoritsch (HSV/0), Hinterseer (Ingolstadt/11/0)

Weitere Montag-Spiele:
Serbien – Irland
Wales – Moldau (jeweils 20.45 Uhr MESZ)

Qualifikationsmodus: Der Gruppensieger ist bei der WM 2018 in Russland, der Zweite im Play-off, sofern er nicht schlechtester aller neun Gruppen-Zweiten ist.