Kanzlerin Angela Merkel Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Lorenz Caffier (CDU) im Wahlkampf.

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Die vielen Auslandstermine von Angela Merkel haben auch ihr Gutes. Stressig zwar, aber die deutsche Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende muss sich am Montag nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern nicht der Presse in Berlin stellen, weil sie beim G20-Gipfel in China ist. Dort ist es vermutlich gerade schöner als in Deutschland.

Die Alternative für Deutschland (AfD) ist bei ihrem ersten Antreten in diesem Bundesland an Merkels CDU vorbeigezogen, liegt im Nordosten auf Platz zwei. So etwas hat es bisher noch nicht gegeben in Deutschland. Natürlich wird man sich das Ergebnis in der CDU zurechtreden: Das ist kein Bundestrend, Mecklenburg-Vorpommern ist ein schwieriges Land, wirtschaftlich schwach, die Rechten waren dort immer schon stark.

Alles richtig und dennoch: Nichts davon taugt zur Beruhigung. Auch in den deutschen West-Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz war es für die AfD ein Leichtes, mit gutem Ergebnis in den Landtag zu kommen. In Stuttgart schaffte sie 15,1 Prozent, in Mainz 12,6 Prozent.

Die AfD ist längst kein Ost-Phänomen mehr, wenngleich sie am Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern besonders gut abgeschnitten hat – ausgerechnet in der politischen Heimat der Kanzlerin. Das ist hart für Merkel und wird ihr schwer auf den Schultern lasten. Man darf nicht vergessen, warum es die AfD überhaupt gibt: Sie hat sich aus Protest gegen Merkels Politik gegründet. Zuerst waren es die von Merkel durchgezogene Rettung des Euro in seiner jetzigen Form beziehungsweise die Bewahrung Griechenlands vor dem totalen Bankrott, die diese Partei entstehen ließ.

Jetzt ernährt sich die AfD hauptsächlich vom Asylthema und wird dabei immer beleibter und beliebter. Sie ist die einzige Partei, die nicht mit Einzelmaßnahmen wie schnelleren Abschiebungen oder verpflichtenden Deutschkursen Asylpolitik machen will, sondern den totalen Systemwechsel anstrebt, und der lautet: Grenzen dichtmachen.

Da kann Merkel noch so oft erklären, dass viele Flüchtlinge eine Bereicherung sind oder dass sie Deutschland langfristig wirtschaftliche Vorteile bringen und dass die allermeisten in friedlicher Absicht gekommen sind. Sie ist machtlos gegen die Ängste und Vorbehalte, die da lauten: Aber was ist, wenn genau in meiner Nachbarschaft etwas passiert?

Das war jahrelang der Bonus der Angela Merkel: Sie schaffte es, den Deutschen das Gefühl zu vermitteln: Ich sorge dafür, dass es euch gutgeht. Anderswo gibt es Terroranschläge, ist die Arbeitslosigkeit hoch, brennen die Vorstädte. Aber ihr Deutschen seid bei und mit mir sicher.

Doch diese Wohlfühlkarte zieht nicht mehr, der Merkel-Bonus ist verpufft, wandelt sich langsam sogar zum "Merkel-Malus", und deshalb widerfährt der CDU jetzt, was etablierte Parteien in ganz Europa – von Frankreich über die Niederlande und Österreich – schon seit Jahren erleben: Die Rechten werden immer stärker.

Merkel hat mit ihrem Kurs lange Zeit nicht nur das Volk bei Laune gehalten, sondern auch ihre Partei. Wer der CDU locker die Macht erhält, der hat weitgehend freie Hand beim Regieren. Doch dieser Automatismus ist jetzt in Gefahr – und so wird Merkel, wenn sie aus China nach Hause kommt, eine CDU vorfinden, die sie nicht mehr so leicht wird beruhigen können – und die in der Asylpolitik jetzt stärker auf Korrekturen drängen wird. (Birgit Baumann, 4.9.2016)