Wenn alle Verkehrsteilnehmer, egal ob Fußgänger, Rad- oder Autofahrer, vom Gas der eigenen Selbstgerechtigkeit gehen würden, kämen wir besser voran.

Foto: Matthias Cremer

Es ist also "Hetze". Das ist das Fazit nach über 1.200 Postings, die der zuletzt hier erschienene Text evozierte: Darauf hinzuweisen, dass die in der Fahrschule ad nauseam gelehrten StVO-Regeln über seitliche Sicherheitsabstände auch beim Überholen von Radfahrern gelten, ist "Hetze". Und die Tatsache, dass es Radfahrer gibt, die (andere) Regeln brechen, legitimiert dazu, Radfahrern den gesetzlich definierten Anspruch auf Schutz durch Abstand pauschal abzusprechen. Und im Umgang mit ihnen generell subjektiv zu entscheiden, welche Gesetze gelten und welche nicht.

Deviates Verhalten

Eine "interessante" Rechtsauffassung. Die schon im Straßenverkehr interessante Erklärungsmodelle für deviantes Verhalten liefern könnte: Weil man gestern mit Kinderwagen auf dem Schutzweg von einem Herrenfahrer im BMW fast geplättet wurde, wäre es demzufolge okay, morgen dem Audi gegen die Tür zu treten. Weil: deutsches Auto. Oder: Mann am Steuer. Oder: vier Räder. Geschenkt.

Hoppla! Wer da – egal ob Fußgänger, Rad- oder Autofahrer – kurz vom Gas der eigenen Selbstgerechtigkeit geht, könnte zu einer erstaunlichen Erkenntnis kommen: Pauschalisierte man statt nach Mobilitätsform nach Hautfarbe, Herkunft oder Religion und erklärte man, dass die Gruppenzugehörigkeit den Schutz durch das Gesetz aufhebt, wäre das ja ... ooops!

Teil der StVO

Aber: alles gut. Es geht ja um Radfahrer. Und wenn die darauf hinweisen, dass seitliche Sicherheitsabstände keine Geschmacksfrage, sondern Teil der Straßenverkehrsordnung sind, ist das nicht nur rücksichtslos und unverschämt, sondern – erraten – Hetze. (Thomas Rottenberg, 7.9.2016)