Weinen und sich von einem gutaussehenden Mann trösten lassen? Das ist eine Fortbildung der anderen Art.

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Zum Chief Happiness Officer, dem Glücksvorstand, hat die Arbeitswelt nun ein Negativ-Pendant hervorgebracht: den "handsome weeping boy" (gutaussehender weinender Bursche) – den Wein-Trainer. Auf Japanisch Ikemeso Danshi genannt, hält er in Tokyo Seminare, die Mitarbeitern die Tränen in die Augen treiben sollen, berichtet der Sender BBC. Wenn Kollegen miteinander weinen können, befördere das ihre sensible Seite zu Tage, so die These – was wiederum die Zusammenarbeit im Team verbessern soll.

Zu sehen bekommen die Mitarbeiter rührende Filme. Zum Beispiel über einen Gehörlosen und seine Tochter, die krank ins Spital eingeliefert werden muss. Weil er nicht vermitteln kann, dass er der Vater des Mädchens ist, bleibt dem Mann der Eintritt untersagt – und die Tochter stirbt alleine.

Weinen als Eisbrecher

Über die Herausforderungen seiner Arbeit berichtet Ryusei, einer der Trainer: "Japaner sind nicht daran gewöhnt, vor anderen zu weinen. Aber wenn man sie einmal dazu bringt, verbessert sich die Arbeitsatmosphäre schlagartig." Der vermeintliche Grund: Weinen reduziere Stress. Indem es von Verwundbarkeit, schaffe es außerdem eine einzigartige Verbindung zwischen Kollegen.

Unternehmen können aus einer ganzen Reihe an "handsome weeping boys" auswählen. Ein Seminar mit ihnen kostet 7900 Yen (umgerechnet rund 68 Euro), heißt es auf Anfrage.

Kollegen sollen zusammen weinen und sich von einem hübschen Kerl trösten lassen. Dazu vermietet eine Firma in Japan weinende Jungs an Unternehmen.
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Während des Film-Screeings geht Ryusei durch den Raum und trocknet den Workshop-Teilnehmern und -Teilnehmerinnen sanft die Tränen. "Als ich mit den Seminaren begonnen habe, waren da einige skurrile Momente", sagt der Wein-Trainer. "Ich war noch nicht erfahren genug und konnte nicht so einfach weinen. Also konnten es meine Zuhörer auch nicht. Mittlerweile fällt es mir leichter – und die anderen weinen mit."

Geschichte der Workshops

Die Idee zu den Wein-Workshops kam Hiroki Terai, einem Unternehmer, der es sich zur Mission gemacht hat, den Japaner Gefühlezeigen beizubringen. Als Terai als 16-jähriger Schüler stets alleine zu Mittag essen musste, sei ihm die emotionale Abgeklärtheit seiner Landsleute zum ersten Mal schmerzlich bewusst geworden. "Damals wurde mir klar, dass ihr Lächeln nur oberflächlich ist. Sie fühlen sich ganz anders."

Sein erstes Projekt waren Trennungs-Zeremonien für Paare. Als diese auf großen Anklang stießen, startete Terai 2013 frei zugängliche Wein-Workshops. "Die Menschen kamen und weinten gemeinsam", sagt der Unternehmer. Nur weinende Männer wurden noch schief angesehen und als Weicheier bezeichnet" – was Terai auf seine nächste Idee brachte: den Workshops angeleitet von gutaussehenden weinenden Männern. (lib, 6.9.2016)