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Leif-Erik Holm, AfD-Spitzenkandidat in Mecklenburg-Vorpommern, hat nach dem Wahlergebnis vom Sonntag allen Grund zu Freude. Geholfen hat der AfD dabei auch, dass alle etablierten Parteien sie bekämpfen, sagt der Soziologe David Bebnowski.

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STANDARD: Nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern sieht die AfD das Ende der Kanzlerschaft von Merkel eingeleitet. Hat sie recht?

Bebnowski: Natürlich ist das Resultat für die CDU bitter, aber das wäre viel zu kurz gegriffen – wie auch die bloße Verknüpfung des AfD-Triumphes mit der Flüchtlingspolitik. Für den Erfolg der AfD gibt es auch andere Gründe.

STANDARD: Welche sind das?

Bebnowski: Kein Bundesland in Deutschland hatte über so viele Jahre so wenig ökonomische Perspektiven wie Mecklenburg-Vorpommern. Das hat bei vielen Leuten viel Frust über die Parteien erzeugt, die fast 30 Jahre Zeit hatten, das Land in die Spur zu setzen. Zudem hat sich die AfD hier auch klug positioniert. Denn dadurch, dass alle etablierten Parteien sie bekämpfen, sagt sie: Wir sind der Stachel im Fleisch, wir sind die einzige Opposition.

STANDARD: Das ist offenbar generell das Konzept der AfD.

Bebnowski: Ja, das geht auch deutlich weiter über die Flüchtlingspolitik hinaus. Der AfD ist es grundsätzlich gelungen zu vermitteln, dass alle anderen Parteien ein Block sind und dass sie die einzige wahre Oppositionspartei ist, die sich in wichtigen Fragen dagegen positioniert. Dabei betreibt sie reine Symbolpolitik.

STANDARD: Was meinen Sie damit?

Bebnowski: Sie brachte im Landtagswahlkampf – wie schon in anderen zuvor – die großen Themen wie Zuwanderung, Asylpolitik oder die Ablehnung des Islam ein. Dabei werden diese Themen auf Bundesebene gelöst und nicht im Land. Zudem betreibt die AfD einen teilweise enthemmten Rechtspopulismus. Insgesamt gelingt es ihr so, sich als die Partei und die Stimme der kleinen Leute gegen "die da oben" anzubieten.

STANDARD: Dass man den Mächtigen auf die Finger schaut, ist ja nicht grundsätzlich schlecht.

Bebnowski: Es ist meiner Meinung nach Grundvoraussetzung, um Politik zu machen. Aber die AfD grenzt dabei Teile der Bevölkerung wegen ihrer Ethnizität oder sexuellen Orientierung aus. Sie will nur eine bestimmte Klientel vertreten. Das ist der Unterschied zu linken Parteien, die auch populistisch agieren.

STANDARD: AfD-Vize Alexander Gauland lobt von allen rechten Parteien in Europa die FPÖ am meisten. Was steckt dahinter?

Bebnowski: Die FPÖ ist sehr erfolgreich, nicht so schrill wie in Frankreich der Front National und regiert sogar schon mit. Damit gibt sie ein gutes Vorbild für die AfD ab. Man kann sich auf sie berufen, ohne dass es bei AfD-Anhängern negative Assoziationen gibt.

STANDARD: Gehen Sie davon aus, dass die AfD nächstes Jahr in den Bundestag einzieht?

Bebnowski: Nach dem Stand von heute führt daran wohl kein Weg daran vorbei. Ein Phänomen in der AfD ist ja auch, dass ihr Spitzenpersonal seit der Gründung im Dauerstreit liegt. Aber es schadet ihr bei Wahlen nicht, weil sie sich als wahre demokratische Alternative geriert, da gehört der Streit um Positionen und Personen dazu.

STANDARD: Wie kann man die AfD aufhalten?

Bebnowski: Das ist schwierig, und der Ruf nach einer Schließung der Grenzen, wie er aus der CSU seit einer Zeit kommt, ist sicher nicht der richtige Weg. Die anderen Parteien werden einen langen Atem brauchen und müssen Perspektiven aufzeigen – etwa klarmachen, dass Flüchtlinge nicht automatisch eine Bedrohung sind. Das gelingt besser, wenn man sozial Schwache nicht vergisst, sondern ihre Einkommens- und Lebenssituation verbessert. Und ich rate von weiteren großen Koalitionen ab, das begünstigt die AfD, weil sie sich als einzig wahre Opposition gegen in vielen Punkten ununterscheidbare politische Gegner gerieren kann. (Birgit Baumann, 5.9.2016)