Besonders ärgerlich an der ganzen Sache war eigentlich der Nachsatz. Man solle sich keine Sorgen machen, er werde sehr aktiv weiter kommunizieren, sagte Kanzler Christian Kern in etwa, nachdem er das Aus für das traditionelle Pressefoyer nach dem Ministerrat verkündet hatte. Er werde die Journalisten künftig zu Hintergrund-Gesprächen einladen, und im übrigen werde es einen wöchentlichen, interaktiven Kanzler-Blog geben, mit dem die Regierenden ihre Politik erklären werden – und wo auch das nicht-professionelle Publikum Fragen stellen könne.
Letzteres ist tatsächlich eine Innovation, man muss mal sehen, wie sich diese in der Praxis bewähren wird. Die Sache mit den Hintergrundgesprächen stellt sich schon anders dar: Journalisten werden zu solchen von den Veranstaltern aktiv eingeladen – und schon riecht die Sache nach kontrollierter Kommunikation, nach Steuerung von oben, wem was wann erzählt wird.
Schlechte Erfahrungen
Kern kann noch so oft betonen, dass er das so nicht gemeint hat – Österreichs Journalisten haben ausreichend schlechte Erfahrungen mit Politikern, die sich kritische Fragen meiden (wollen), wie der Teufel das Weihwasser. Soloauftritte wie jener am Dienstag sorgen zusätzlich für Verstimmung. Es sei Kern nie um etwas anderes als "Schaulaufen" gegangen, twitterte etwa der Radio-Journalist Stefan Kappacher am Dienstag.
Dabei erinnert die österreichische Innenpolitik bisweilen tatsächlich an ein "Hunderennen", wo nur die knackigeren Soundbytes zählen. Inhalte kommen zu kurz, kritisches Nach- und Hinterfragen ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr, bei allen drängt die Zeit, der Druck "zu liefern" ist groß.
Boulevard gefüttert
Warum das so ist, hat viele Gründe – nicht zuletzt jenen, dass die Politik das auch fleißig befördert hat. Wer wichtige politische Entscheidungen prinzipiell über die Boulevardmedien verkündet, wie in der Ära Faymann und auch schon davor üblich, wer selbigen Boulevard stetig über die Jahre mit überlebenswichtigen Anzeigen füttert, muss sich nicht wundern, dass seriöse, fundierte und unabhängige Berichterstattung in der österreichischen Öffentlichkeit nicht den Stellenwert hat, den sie verdient.
Zudem herrscht mitunter ein grundlegendes Missverstehen zwischen Politikern und Journalisten darüber, was eine fundierte, gut recherchierte Geschichte ist. In der SPÖ-Wien etwa – sie sei hier als pars pro toto der Landespolitik genannt – wird gerne ein via Pressekonferenz verkündetes "Das haben wir für Sie gebaut/geplant/geleistet/eingeführt" schon als inhaltlich wertvolle Sach-Geschichte gesehen, für die es keiner weiteren journalistischen Recherche bedarf.
Grundsätzlich verdächtig
Im Gegenteil: Wer dumme Fragen stellt – und auch noch kritische Meinungen zu diesem oder jenem Projekt einholt und darüber schreibt, ist gleich einmal der Undankbarkeit, wenn nicht sogar der Nestbeschmutzung, verdächtig. Auch hier ist der Zugang ein doppelt verdächtiger: Die Journalisten sollen des langen und des breiten darüber schreiben, was der Politiker für eine "gute Geschichte" hält. Das zeugt von einem bedenklichen Demokratie-Unverständnis – und Journalisten sollten sich dies auch nicht gefallen lassen, dafür wurde die Unabhängigkeit der Medien zu hart erkämpft.
Leider geht in dem ganzen Schlamassel rund um das Pressefoyer unter, dass Kern mit seiner Analyse, rein objektiv betrachtet, nicht so unrecht hat. Immer schneller dreht sich das News-Rad, immer atemloser werden die Medien in ihrer Berichterstattung – das trifft die Qualitätsmedien womöglich noch mehr als den Boulevard. Ob daran ein Publikum die Schuld trägt, das immer mehr immer schnellere Info-Happen verlangt, oder ob die Medien hier einander gegenseitig vor sich hertreiben, sollte Gegenstand umfangreicher kommunikationswissenschaftlicher Studien sein.
Verlautbarungsspirale
Jedenfalls kann man der aus der Medienliteratur wohlbekannten "Schweigespirale" mittlerweile getrost die "Verlautbarungsspirale" hinzufügen: An allen Ecken und Enden dieser Welt beäugen Journalisten misstrauisch ihre Smartphones, immer alert, ob jemand anderer vor ihnen eine Push-Meldung abgesetzt hat, um selbst mit einer noch pushigeren Push-Meldung zu kontern. So ungefähr. Manche von uns bringen nicht einmal mehr die Geduld auf, ein Buch mehr als querzulesen – geschweige denn, verzwickten politischen Zusammenhängen zu folgen.
Das liegt nicht daran, dass die journalistische Zunft mit dem ansteckenden Faulheits-Gen infiziert worden ist – sondern daran, dass von jedem einzelnen nicht nur die super exklusive, top recherchierte Eilt-Meldung erwartet wird, sondern auch noch der solide Bericht darüber, der zündende Kommentar, der dazu passende Tweet oder Facebook-Eintrag, usw, usf. Mit dem, im allerbesten Fall, selben Personalstand wie vor zehn Jahren – idealerweise aber noch mit deutlich "abgeschlankten" Redaktionen.
Reform statt Bestrafung
Dass sich neben all dem oft just die zeitintensive fundierte Analyse der hintergründigen Zusammenhänge nicht ausgeht, liegt auf der Hand.
Dem Bundeskanzler, der selbst kurz als Journalist gearbeitet hat und lange Pressesprecher war, sind diese Tatsachen wohl bekannt. Er spricht sie auch an – wie zuletzt im STANDARD-Sommergespräch.
Wichtig wäre, dass er die richtigen Schlüsse daraus zieht und etwa, in Kooperation mit Herausgebern und Journalisten-Vertretern an einer tauglichen Reform der Presseförderung arbeitet. Bestrafung von Journalisten durch Abschaffung des Pressefoyers ist ganz sicher nicht der richtige Weg. (07.09.2016, Petra Stuiber)