In St. Petersburgs staatlicher Druckerei Nr. 12 werden bereits die Wahlzettel für das Duma-Votum gedruckt.

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Moskau – Knapp zwei Wochen vor der Duma-Wahl hat das russische Justizministerium das Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum als "Auslandsagenten" eingestuft. Der Sachverhalt sei bei einer außerplanmäßigen Überprüfung festgestellt worden, heißt es auf der Webseite der Behörde. Durchgeführt wurde diese auf Antrag der kremlnahen Bewegung "Antimaidan", die dem Lewada-Institut unterstellte, für das Pentagon zu arbeiten.

"Es geht um eine Untersuchung gemeinsam mit der Wisconsin University. Beziehungen zum US-Verteidigungsministerium haben wir nicht", dementierte Lewada-Direktor Lew Gudkow den Vorwurf. Er könne aber nicht sagen, woher die Universität ihr Geld bezieht, fügte er hinzu. Bei der Umfrage ging es unter anderem um die Haltung der Russen zum Ukrainekonflikt.

Das Lewada-Institut will die Einstufung anfechten. Sollte dies nicht gelingen, stehe dem Institut die Schließung bevor, konstatierte Gudkow. Seiner Ansicht nach ist nicht jener Auftrag, sondern das schlechte Ergebnis der Kremlpartei Einiges Russland bei der jüngsten Umfrage des Instituts Auslöser für das Vorgehen des Justizministeriums. Laut der Befragung ist die Prognose für die Partei von 39 auf 31 Prozent gesunken. Bei der Wahl am 18. September strebt sie aber den Erhalt der absoluten Mehrheit an. Vermutlich werden auch die derzeit im Parlament vertretenen Parteien Gerechtes Russland, die nationalistisch-populistische LDPR und die kommunistische KPRF wieder in die Duma einziehen. Der liberalen Opposition werden nur geringe Chancen eingeräumt. Nach der letzten Wahl im Dezember 2011 war es nach Manipulationsvorwürfen zu Protesten gekommen, die den Kreml zu einigen Zugeständnissen nötigten, wie die Wiedereinführung der Gouverneurswahlen und Direktmandate.

NGO-Gesetz als Protestfolge

Andererseits reagierte die Regierung nach dem Abflauen der Proteststimmung auch mit einer Verschärfung der Gesetze gegen Opposition, Medien und Zivilgesellschaft. Das umstrittene NGO-Gesetz über "Auslandsagenten" ist eine dieser Maßnahmen. Michail Fedotow, Leiter des Menschenrechtsrats des russischen Präsidenten, machte die Unschärfe des Gesetzes dafür verantwortlich, dass nun das Lewada-Institut auf der schwarzen Liste auftauche. Mit der gleichen Begründung könnten auch der russische Autorenverband oder die Friedensstiftung als "Auslandsagenten" eingestuft werden, klagte er.

Nicht nur das Lewada-Institut ist in Schwierigkeiten: Der private Regionalsender TV-2 aus Tomsk, der im vergangenen Jahr nach 25 Jahren seine Sendelizenz verloren hat, kann nicht wieder auf den Äther gehen, obwohl ein Gericht erst kürzlich den Lizenzentzug für rechtswidrig erklärte. Die Medienaufsichtsbehörde RosKomNadsor weigert sich, dem Gründer Wiktor Mutschnik die Lizenz zurückzugeben, weil sie ihn der doppelten Staatsbürgerschaft verdächtigt. Eine anderslautende Auskunft des russischen Ausländeramts reichte bei RosKomNadsor nicht aus, um die Beamten vom Gegenteil zu überzeugen.

Nun hat Mutschnik alle 144 in Russland akkreditierten Botschaften mit der Bitte angeschrieben, ihm zu bestätigen, dass er nicht Bürger des entsprechenden Landes sei. "RosKomNadsor zwingt uns zu völlig idiotischen Handlungen", klagte Mutschnik. Nach dem Abklappern der Botschaften werde er wohl auch noch Briefe in die Länder, die nicht in Russland akkreditiert seien, schreiben müssen, "um zu erfragen, ob ich nicht Bürger Burundis, Sierra Leones oder irgendeines anderen Staates sei", fügte er hinzu. (André Ballin aus Moskau, 7.9.2016)