Alles soll möglich sein.

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Alfred Biolek steckte den Modetrends folgend in einem fliederfarbenen Anzug mit Schulterpölstern und fand die Aufdrucke auf dem Papier in seiner Hand "etwas verwirrend". "Wenn ich es vielleicht ganz kurz erklären darf, dieses Spiel", sagte Leo Wallner, damals bereits seit 18 Jahren Generaldirektor von Casinos Austria, zu dem deutschen Moderator. Die beiden saßen am 7. September 1986 in der Hauptabendsendung "Seid umschlungen, Millionen", um den Sehern auf FS2 die Funktionsweise des Lottoscheins zu erläutern.

"Es wählt einer aus 45 Zahlen sechs aus, füllt den Schein aus, gibt ihn ab, zahlt sechs Schilling und wartet, ob er gewonnen hat oder nicht", begann Wallner mit dem Grundlegenden. Die meisten Österreicher wussten das bereits, denn die Einführung des Lottos war vor allem eine Reaktion auf die Abflüsse in die schon etablierten Zahlenlotterien der Nachbarländer. "Bei der Ziehung werden sechs Zahlen ermittelt", fuhr Wallner fort, "und wenn er von diesen Zahlen drei, vier, fünf oder sechs erraten hat, ist er unter den Gewinnern."

Sonntagabendroutine vor dem Fernsehgerät

Das Warten auf die Ziehung wurde ab diesem Tag, der Österreichpremiere von "Lotto 6 aus 45", bald in hunderttausenden Haushalten zur ehernen Familientradition. Man harrte am Sonntagabend der Lottofee und hoffte, am Montagmorgen nicht mehr in die Arbeit gehen zu müssen. Bei einer statistischen Wahrscheinlichkeit von eins zu rund 8,15 Millionen erfüllte sich dieser Wunsch freilich nur den wenigsten.

Doch weil die Hoffnung zuletzt stirbt, investierten die Österreicher seither satte 48,3 Milliarden Euro an "Deppensteuer", wie es der Kabarettist Lukas Resetarits spitz formulierte, in das ebenfalls 1986 gegründete Unternehmen Österreichische Lotterien, eine Tochter von Casinos Austria und der Lotto-Toto Holding. 30,9 Milliarden Euro wurden wieder an die Spieler ausgeschüttet. Im Schnitt wurden also für jeden im Lotto gewonnenen Euro 1,56 Euro ausgegeben.

Das Finanzamt als größter Sieger

Der stets größte Lottosieger war mit rund 10,6 Milliarden Euro in 30 Jahren aber ohnehin das Finanzamt. Weitere 2,4 Milliarden Euro wurden als Provisionen an die rund 5.000 Vertriebspartner, vor allem Annahmestellen wie Trafiken und Tankstellen, ausbezahlt. Vergleichsweise kleinere Posten entfielen auf Sponsoring und Spenden, etwa die Sportförderung (1,4 Milliarden Euro) und Unterstützungen an Licht ins Dunkel oder die Kinderhilfe (185 Millionen Euro).

Der 144 mal 108 Millimeter große Lottoschein hat sich in all den Jahren kaum verändert. Seit 1988 kann man durch das Kreuz beim "Joker" noch mehr Geld ausgeben, 1997 wurden die Ziehungsintervalle mit einer zusätzlichen Gewinnermittlung an Mittwochen halbiert, und aus den sechs Schilling Spieleinsatz sind 1,20 Euro pro Tipp geworden. Unglaubliche 26,5 dieser Tipps werden heute rund um die Uhr jede Sekunde abgegeben. Laut Werbeslogan ist Lottosiegern alles möglich. Lottobetreibern aber noch viel mehr. (Michael Matzenberger, 6.9.2016)